Seehaie
uns auch zum Täter führen. Richtig?«
»Richtig! Nach unserer bisherigen Kenntnis liegt das
Motiv für den Mord nicht bei Plocs Arbeitgeber. Weder ist die Hohbau G mb H jemals durch
illegale Beschäftigung von Ausländern aufgefallen noch durch …«
Das Schrillen seines Telefons im Nebenraum ließ Wolf
verstummen. Als der Anruf nach dem dritten Klingeln automatisch auf Jos Apparat
gelegt wurde, nahm sie ab und meldete sich. Nach kurzem Zuhören reichte sie den
Apparat grinsend an Wolf weiter: »Die Pathologin ist dran. Ich soll ihr den
bösen Wolf ans Rohr holen …«
»Was gibt’s, Verehrteste?« Er hörte eine Minute
schweigend zu. Dann bedankte er sich und legte auf.
Sein Blick wanderte von Kalfass zu Jo. »Bingo, Leute.
Yosip Juratovic starb nicht, wie auf der Fähre festgestellt, an einem
Herzanfall. Er wurde vergiftet – wie Ploc! Jetzt wird mir auch klar, warum die
Täter den im Wald hängenden Ploc überhaupt gemeldet haben: Wir sollten den
Polen möglichst schnell finden, damit zwischen seinem und Juratovics Tod ein
möglichst großer Zeitabstand liegt …«
»… weil sie befürchten mussten, dass andernfalls
die Behörden einen Zusammenhang erkennen und möglicherweise Ermittlungen
einleiten würden. Clever!« Kalfass schnalzte anerkennend mit der Zunge.
»Aber nicht clever genug!«, bemerkte Jo.
8
Auf halber Strecke zwischen Nussdorf und
Unteruhldingen, auf einer Anhöhe mit traumhaftem Blick über den See, lag die
barocke Abteikirche Birnau, von vielen als die schönste Basilika der an
Gotteshäusern wahrlich nicht armen Seeregion bezeichnet. Während zahlreiche
Touristen auf das Bauwerk zustrebten, kletterte Karin Winter auf dem nahe
gelegenen Parkplatz aus ihrem blauen Flitzer und ging, mit zwei Laufstöcken
bewaffnet, in die entgegengesetzte Richtung. Sie war mit ihrem Chefredakteur
Jörg Matuschek verabredet, mit dem sie gelegentlich ein sportliches Hobby
verband: Nordic Walking.
Matuschek war nicht wenig überrascht gewesen, als
Karin ihm als Laufstrecke für diesen Morgen den Prälatenweg vorgeschlagen
hatte. Das waren immerhin sechs Kilometer durch den Wald und über einige
Anhöhen bis zum Kloster Salem – und anschließend wieder zurück!
»Es ist wichtig. Und so können wir das Angenehme mit
dem Nützlichen verbinden«, hatte sie gesagt.
»Nützlich?«
»Du musst zugeben, dass es im Wald, im Gegensatz zu
deinem Büro, deutlich weniger Ohren gibt.«
»Ich verstehe nicht …«
»Sei nicht so schwer von Begriff! Wenn einer der
lieben Kollegen auch nur ein Wort aufschnappt, können wir den Coup vergessen.«
»Welchen Coup denn, verdammt noch mal?«
»Gedulde dich! Du wirst schnell verstehen!«
Und so liefen sie los, trotz des Gleichschritts ein
wahrhaft ungleiches Gespann, denn außer ihrem Faible für das Laufen in der
Natur hatten sie, wenigstens äußerlich, herzlich wenig gemeinsam. Sie, die
umtriebige, schlanke Zweiundvierzigjährige mit dem herben, aber gerade deshalb
so interessanten Gesicht; er, der bedächtig abwägende, stämmige Enddreißiger
mit dem kahl geschorenen Kopf, der seinem Äußeren etwas Martialisches verlieh.
»Leg los, solange ich noch nicht japsen muss«,
forderte Matuschek sie bereits nach den ersten Metern auf.
»Es geht um Hohmann …«
»Der Dauerbrenner, ich weiß. Hab ich dir dieses Thema
noch nicht ausreden können?«
»Ich würde gern an der Sache dranbleiben. Ich spüre,
dass bei dieser Hohbau G mb H nicht alles koscher ist, aber ich brauche mehr Informationen, beweisbare
Fakten, verstehst du? Irgendetwas stimmt in dem Laden nicht, da geh ich jede
Wette ein. Und ich werd’s rauskriegen – mit deiner Hilfe!«
»Wie stellst du dir das vor? Soll ich bei Hohmann
einbrechen?«
»So ungefähr. Das heißt, natürlich nicht du, und auch
nicht real, sondern sozusagen virtuell.«
»Du sprichst in Rätseln, Teuerste.«
»Du hast doch diesen Kumpel, diesen Hacker. Mach mich
mit dem bekannt. Er soll mir Hohmanns E-Mails beschaffen, das ist alles.«
»Jetzt spinnst du. Abgesehen davon, dass ich deine
Einschätzung nicht teile: Was du mir vorschlägst, ist Mithilfe beim Datenklau.
Darauf steht Gefängnis, meine Liebe.«
Für eine Weile war lediglich das rhythmische
Tack-tack-tack ihrer Stöcke auf dem Waldweg zu hören.
»Vergiss einfach, was ich gesagt habe«, beschwor sie
ihn weiter, »nenn mir lediglich den Hacker und leg bei ihm ein gutes Wort für
mich ein. Ich verspreche dir: Im Ernstfall geht alles auf meine Kappe. Sollte
jedoch
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