Seehaie
Wie eine gereizte Dogge umrundete er mehrmals die
ausgeglühten Container, ehe er wieder im Wagen Platz nahm. Dort stierte er eine
Weile ausdruckslos vor sich hin.
Dann fasste er sich. »Was geht hier eigentlich vor,
Paul? Wer hat uns diese ganze gottverdammte Scheiße eingebrockt?« Er sprach
langsam und leise, wie zu sich selbst. Es klang, als müsse er sich mit Gewalt
zur Ruhe zwingen.
Paul Göbel, seit Jahren als Fahrer, Sekretär und so
etwas wie Butler in Hohmanns Diensten, war überrascht. Er kannte seinen Chef
als beinharten Draufgänger, der sich vor nichts und niemandem fürchtete und
notfalls auch mal über Leichen ging, wenn es die Geschäfte erforderten. So wie
heute jedoch hatte er ihn noch nie erlebt: resigniert, in sich gekehrt, fast
furchtsam.
»Alles hinüber.« Hohmann deutete auf die ausgebrannten
Container.
Paul Göbel machte ein skeptisches Gesicht. »Das ist
nicht ganz richtig, Chef … Wiegand war gerade hier. Die Ordner mit Plänen,
Statik, Berechnungen … auch die Notebooks …«
»Was ist damit?«, drängte Hohmann.
»Wiegand sagt, das ganze Zeugs liegt plötzlich drüben
im zweiten Büro.«
»Was? Hat er eine Erklärung dafür? Wer hat das
rübergeschafft? Und warum?«
»Er weiß es nicht. Er war gestern bis kurz vor
Mitternacht mit dem Architekten und dem Statiker zusammen hier, da war alles
noch an seinem Platz. Keiner hat etwas Verdächtiges bemerkt.«
Hohmann, der aufmerksam zugehört hatte, verfiel
alsbald wieder in tiefes Schweigen. Schließlich wies er mit dem Kopf auf die
Brandstelle: »Kannst du dir einen Reim darauf machen, Paul?«
»Nein. Das geht über meinen Horizont.«
»Irgendjemand spielt hier mit gezinkten Karten«,
knurrte Hohmann finster. »Wenn ich das Schwein in die Finger kriege!«
»Ich hör mich mal um.«
»Mach das, aber diskret, bitte! Und jetzt lass uns
zurückfahren!«
***
Im
Büro des D1 herrschte ungewohnte Aktivität. Kalfass telefonierte auf dem Handy,
Jo schleppte Mappen herbei, Wolf selbst stand am Besprechungstisch und goss
Kaffee in die bereitgestellten Tassen. Auf seinen Wink nahmen seine Mitarbeiter
am Tisch Platz, während er selbst hin und her tigerte.
»Was hast du bei der Hausbank der WBG in Erfahrung gebracht, Jo?«, leitete er die
Besprechung ein.
Jo berichtete, dass die Bank der Baugesellschaft trotz
rückläufiger Umsätze und Gewinne noch immer ein gutes Zeugnis ausstellte. »Die
Kreditlinie ist nicht mehr als üblich überschritten, dem stehen ausreichend
Immobilien und Sachwerte als Sicherheit gegenüber. Auch die finanzielle
Situation der Gesellschafter gibt aus Sicht der Bank zu keinerlei
Beanstandungen Anlass. Die genauen Zahlen stehen in meinem Bericht.«
Wolf verarbeitete kurz das Gehörte. »Also, das heißt:
Den Verdacht gegen Hohmanns Konkurrenten, speziell die WBG ,
müssen wir fallen lassen, es sei denn, es gibt neue Erkenntnisse.«
Nun konnte Kalfass nicht mehr an sich halten. »Wie Sie
sich erinnern werden, habe ich bereits vor Tagen darauf hingewiesen …«
»Richtig, Ludger, du warst der Einzige, der die Lage
von Anfang an richtig eingeschätzt hat.« Wolfs Sarkasmus war kaum zu überhören,
doch Kalfass schien dagegen resistent zu sein. »Aber wir anderen«, fuhr Wolf
fort und blickte dabei zu Jo hinüber, »sind ja lernfähig, und deshalb
konzentrieren wir die Ermittlungen ab sofort auf Hohmann und seine Firma –
unter besonderer Berücksichtigung des Korruptionsverdachtes.«
»Korruption? Hab ich da was verpasst?«, wollte Jo
aufgeregt wissen.
Wolf fasste sein Gespräch mit Karin Winter zusammen
und legte seinen Mitarbeitern das Bildmaterial vor, das ihm die Journalistin
überlassen hatte.
Noch während sich alle drei über die Ausdrucke
beugten, öffnete sich die Tür, und Patzlaff wehte herein. »Aha, traut vereint,
das D1! Schön, schön. Meinen Sie etwa, hier am Tisch Ihren Fall lösen zu
können? Wie wäre es, wenn Sie vor Ort ermittelten, meine Dame, meine Herren.
Zum Beispiel auf der Konstanzer Baustelle … oder ist Ihnen etwa der
Brandanschlag auf die Bürocontainer dort entgangen?«
»Keineswegs, Herr Kriminalrat. Wir waren bereits vor
Ort – es handelt sich übrigens um eine Baustelle der Hohbau G mb H , aber das wissen Sie
sicher …«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fuhr ihm Patzlaff
scharf ins Wort.
»Nun, dass Sie üblicherweise gut informiert sind
natürlich, nicht mehr und nicht weniger. Es scheint jedoch keinen Zusammenhang
zwischen dem Brandanschlag und unseren Giftmorden
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