Seehaie
Eindruck, Wolf musste es neidlos anerkennen.
»Darf ich vorstellen: Die Hauptkommissare Wolf und
Marsberg; Herr Dr. Hayder, der Anwalt der Hohbau G mb H .«
Während der Anwalt leicht irritiert auf Wolfs wie
angeklebt sitzendes Barett starrte, kam Patzlaff ohne weitere Überleitung zur
Sache. »Meine Herren, zu meiner Bestürzung erfahre ich soeben von Ihrem
Fauxpas, den Klienten von Herrn Dr. Hayder ohne hinreichend gesicherte
Verdachtsmomente mit einer Hausdurchsuchung zu behelligen. Was haben Sie sich
eigentlich dabei gedacht? Noch dazu ohne Abstimmung mit mir, gewissermaßen
meine Abwesenheit schamlos ausnutzend.«
Typisch, dachte Wolf – erst einmal sich selbst aus der
Schusslinie bringen. Wenn Patzlaff in den letzten beiden Tagen außer Haus
gewesen wäre, hätte Wolf das gewusst. Ihm lag eine bissige Bemerkung auf der
Zunge, doch er schluckte sie wieder hinunter. Vielleicht war es besser, sich
erst einmal zu ducken und den Sturm über sich hinwegtoben zu lassen, um danach
den Fall unbeschädigt weiterzuverfolgen. Sie hatten sich ja wirklich nicht mit
Ruhm bekleckert. Hoffentlich dachte Marsberg auch so und hielt ebenfalls die
Klappe. Was hätten sie auch zu ihrer Entlastung vorbringen sollen?
»Wo kämen wir hin«, lamentierte Patzlaff weiter, »wenn
die Polizei nach Lust und Laune Außeneinsätze fahren würde, noch dazu bei
seriösen Unternehmen, von deren Steuergeldern sie schließlich lebt …«
Patzlaff wagte einen kurzen, wie um Bestätigung
heischenden Seitenblick auf Dr. Hayder, der sich jedoch weiterhin aufs
Zuhören beschränkte. »Hiermit ordne ich an, dass Ihre Ermittlungen in diesem
Fall und vor allem geplante Außeneinsätze grundsätzlich vorher mit mir
abzustimmen sind. Ist das angekommen, meine Herren? Und für die Hohbau G mb H beziehungsweise
Herrn Hohmann persönlich gilt: Finger weg … äh, ich meine, keine weiteren
Aktionen, solange Sie nicht über absolut hieb- und stichfeste Verdachtsmomente
verfügen. Ist das klar?«
Jetzt war Wolf erst recht ungehalten. Das klang ja
fast so, als ob der Chef der Überlinger Kripo nach der peinlichen Aktion von
heute Vormittag Hohmann nicht nur besänftigen und in Watte packen, sondern ihn
ganz aus den laufenden Ermittlungen raushalten wollte. Warum nur?
»Das hätte ich gerne schriftlich, Herr Kriminalrat«,
vergaß Wolf für einen kurzen Moment seine Strategie, wohl wissend, dass gerade
Einwürfe dieser Art Patzlaff zur Weißglut trieben.
Als diesem auf Wolfs neuerliche Unbotmäßigkeit nicht
sofort die passende Antwort einfiel, sprang überraschend Dr. Hayder für
ihn in die Bresche. »Sie haben den betrieblichen Ablauf des Unternehmens Hohbau G mb H und die
Reputation meines Klienten ohne hinreichenden Verdacht und ohne den kleinsten
Beweis in erheblichem Maße gestört. Ihre eigenmächtige Handhabung des Falles
wird erhebliche Konsequenzen für Sie haben, meine Herren.«
»… jawohl, Konsequenzen«, echote Patzlaff, als er
wieder Luft bekam, »speziell für Sie, Wolf. Noch so ein Fehler, und Sie sind im
Ruhestand! Eine Abmahnung ist Ihnen jetzt schon sicher, da Sie es entgegen
meiner Anordnung versäumt haben, mich über Ihre Aktivitäten rechtzeitig in
Kenntnis zu setzen.«
Damit waren sie entlassen. Vor der Tür zündete sich
Wolf eine Gitanes an. Sollte der »Chef« ruhig einen Hustenanfall bekommen.
13
So konnte es nicht weitergehen. Eine Woche
lagen die Morde an den beiden Lkw-Fahrern nun schon zurück, und noch immer
krebsten sie im Niemandsland herum. Aber war das ein Wunder? Die Ermittlungen,
daran hatte Kalfass nicht den geringsten Zweifel, wurden irgendwie lax, wenn
nicht gar unprofessionell geführt und schienen sich mehr durch Halbherzigkeit
und Planlosigkeit als durch entschlossenes, zielgerichtetes Handeln
auszuzeichnen.
Dabei lag die Lösung offen vor ihnen. Für Kalfass
hatte sie sogar einen Namen: Hohmann! Auch wenn der Bauunternehmer die Tat
nicht selbst begangen hatte, wovon vermutlich auszugehen war, so führte der Weg
zu einer schnellen Aufklärung nach Kalfass’ Auffassung auf jeden Fall über ihn.
Natürlich war der Mann clever, nicht umsonst hatte er bisher alle Spuren hinter
sich verwischen und selbst den konspirativen Treff mit einem Auftraggeber der
öffentlichen Hand unwidersprochen als harmlose Arbeitsbesprechung darstellen
können. Andererseits: Er hatte als Einziger ein Motiv. Wenigstens war Kalfass
überzeugt, eines zu finden, wenn er nur hartnäckig genug danach suchte.
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