Seehaie
begann, unruhig zu werden, und Wolf ahnte auch,
weshalb. Er saß ganz offensichtlich in der Klemme. Würde er ihnen jetzt nicht
Ross und Reiter nennen, nähmen sie ihn womöglich doch noch mit. Gab er jedoch
den Namen preis, bekäme er vermutlich ganz andere Probleme, gegen die seine
Festnahme der reinste Pipifax wäre. Die klassische Patt-Situation: Wie er es
auch anfing, er würde sich in die Nesseln setzen. Ja, Starek hatte sie
unterschätzt!
»Den Namen bitte!«, bohrte Kalfass ein letztes Mal.
»Na gut. Unter einer Bedingung …«
»Herr Starek!«, bellte Wolf ihn wütend an, »Sie
verkennen die Lage. Wir stellen hier die Bedingungen.
Also?«
Starek knirschte mit den Zähnen. Erneut steckte er
sich eine Zigarette zwischen die Lippen, vergaß jedoch, sie anzuzünden.
»Maywaldt«, quetschte er hervor.
»Der Entmüller?«
»Wer denn sonst? Die Maywaldt-Gruppe entsorgt und
recycelt praktisch alles. Da fallen Mengen an, die können Sie sich überhaupt
nicht vorstellen. Und manchmal reicht deren eigener Fuhrpark einfach nicht aus,
da müssen dann Kapazitäten zugekauft werden – genau das ist mein Job.
Zufrieden?«
»Na also, warum denn nicht gleich«, brummte Wolf. Sie
würden wohl, damit hatte er sich bereits abgefunden, unverrichteter Dinge
wieder abziehen müssen. Stareks Darstellung klang plausibel, zumindest
erforderte sie weitere Recherchen. Und das Alibi durch die Prechtl machte ihn
vorerst unangreifbar – schlimmer hätte es für sie nicht kommen können. Aber
noch war nicht aller Tage Abend. Kalfass würde auf der Baustelle nach weiteren
Zeugen suchen. Und sie würden Starek Kronberger gegenüberstellen.
Plötzlich hielt Wolf es in dem stickigen Zimmer nicht
mehr aus. Hastig blies er zum Rückzug.
***
»Sie
sind weg.« Johanna Prechtl alias Jeanne stand am Fenster und sah dem
Dienstwagen der Kripoleute nach.
Starek hatte sich nach deren Abgang erst mal einen doppelten
Scotch genehmigt. Es irritierte ihn, dass er nicht abschätzen konnte, wie viel
die Bullen wirklich wussten und wie ihre nächsten Schritte aussahen. Wenigstens
hatten sie ihn dank des inszenierten Rendezvous nicht kalt erwischt, und
Jeannes Alibi war Gold wert. Sollten sie sich die Zähne daran ausbeißen!
Er wies auf die am Boden verstreut liegenden Wäsche-
und Kleidungsstücke. »Los, zieh dich an und verschwinde«, sagte er rau. Sie
gehorchte ohne Widerspruch.
Nachdem sich die Tür hinter Jeanne geschlossen hatte,
wählte er eine Nummer. »Ich bin’s. Der Besuch ist weg … Ja, es hat alles wie
vorgesehen geklappt … Natürlich haben sie uns getrennt vernommen, aber damit
habe ich gerechnet. Jeanne hat voll mitgespielt, das Alibi steht … Nein, der
Name Maywaldt ist nicht gefallen …«
23
Auf dem Rückweg äußerte Wolf den Wunsch, an
der Baustelle des Corso Halt zu machen. Er wollte sich die von den Architekten
reklamierten Abweichungen einmal aus der Nähe ansehen. Was ihm Kalfass da
vorführte, empfand er jedoch als wenig spektakulär. Im Gegensatz zum
Architekten war er geneigt, die Differenzen als unnötig aufgebauschte Bagatelle
abzutun. Trotzdem, ein unterschwelliges Misstrauen blieb.
Wenig später saßen sie wieder im Wagen, dessen Fenster
wegen der Hitze überhaupt nicht mehr geschlossen wurden.
Sie kamen jedoch nicht weit. Schon nach wenigen Metern
rief der Hauptkommissar unvermittelt: »Stopp«, sodass Kalfass vor Überraschung
eine Schnellbremsung hinlegte. Unmittelbar hinter der Baustellenausfahrt war
ein Imbissstand aufgetaucht, der sich, dem lebhaften Treiben nach zu schließen,
unter den Bauarbeitern großen Zuspruchs erfreute.
»Ich lad euch zum Essen ein«, verkündete Wolf generös
und lief bereits auf den Kiosk zu. Wohl oder übel mussten seine Begleiter
folgen. Kalfass, dem aus naheliegenden Gründen über die Mittagszeit
vorübergehend der Appetit abhandengekommen war, war dicht hinter ihm; vor
lauter Hunger war er inzwischen bereit, seine sämtlichen Vorbehalte gegen
Fastfood über Bord zu werfen und sogar eine Currywurst zu akzeptieren. Jo hingegen
machte deutlich, dass sie überhaupt nicht auf fette Brühwürste stand, noch
dazu, wenn sie zur Dekoration mit einer undefinierbaren roten Pampe und einem
merkwürdig riechenden gelben Pulver überschüttet wurden. Und doch fand sie sich
wenig später mit ihren Kollegen an einem der freien Stehtische wieder, wo sie
feststellte, dass »das grässliche Zeugs« bedeutend besser schmeckte, als es
aussah. Besonders, wenn man mit einer eiskalten Cola
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