Seehaie
einem
Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Nichts ist vollkommen, dachte Wolf
bedauernd. Er fand Pferdeschwänze bei Männern affig.
»Wir haben ein paar Fragen an Sie«, rief er. »Dürfen
wir reinkommen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat er die Wohnung, gefolgt
von Jo und Kalfass.
»Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.« Mit diesen
Worten ging Starek in einen großen, halbdunklen, stickig-schwülen Raum. Es roch
nach einem teuren Parfüm und ein klein bisschen nach Absteige. Beherrschendes
Möbel in diesem Zimmer war eine üppige Liegelandschaft. Im Dämmerlicht erkannte
Wolf darauf eine junge, unbekleidete Brünette. Sie lag auf dem Bauch, ihre
Blöße notdürftig mit einem Badetuch bedeckt.
»Tut uns leid, wenn wir stören«, sagte Wolf mit einem
Unterton, der eher das Gegenteil ausdrückte. »Es macht Ihnen sicher nichts aus,
uns den Namen der Dame zu verraten!«, fuhr er wie beiläufig fort.
Starek schnellte herum. »Hören Sie, stellen Sie in
Gottes Namen rasch Ihre Fragen und verschwinden Sie wieder. Sie sehen doch, wir
haben Besseres zu tun.« Anzüglich grinsend ging er zu einer Anrichte, drückte
seine Zigarette aus und griff nach einem langstieligen Glas.
Jetzt hob die Brünette erstmals den Kopf. Ihr Gesicht
hielt, was der Körper versprach: gut proportioniert, süß und unschuldig. »Was
ist denn, Starilein?«
»Komm schon, sei schön artig und verrat den Leuten
deinen Namen, sonst werden wir sie nie los.«
Obwohl er sich auf Starek konzentrierte, entging Wolf
nicht, dass Jo mit wenigen Schritten das Zimmer inspizierte und anschließend
einen kurzen Blick in die angrenzenden Räume warf, von Starek argwöhnisch
beobachtet.
Da die Brünette keine Anstalten machte, Stareks
Aufforderung Folge zu leisten, antwortete dieser für sie: »Das ist Johanna
Prechtl. Zufrieden?«
»Ich muss die junge Dame bitten, sich in Begleitung
meiner Kollegin kurz nach nebenan zu begeben«, sagte Wolf bestimmt.
»Hören Sie, was soll das? Haben Sie eine richterliche
Anordnung?«, fragte Starek gefährlich ruhig.
»Oh, der Herr kennt sich aus«, grinste Wolf süffisant,
wurde jedoch gleich darauf wieder ernst. »Dann wissen Sie sicherlich auch, dass
eine richterliche Anordnung nur bei einer Durchsuchung erforderlich ist. Im
Moment geht es lediglich um ein paar Fragen, die wir Ihnen gerne getrennt voneinander
stellen möchten, das ist alles. Natürlich könnten wir Sie beide auch vorläufig
festnehmen und bei uns in Überlingen in der Polizeidirektion befragen. Aber ich
denke, das können wir uns sparen.«
Starek setzte sich auf das Bett und tätschelte die Brünette.
»Hast du gehört, Jeanne? Beweg deinen süßen Hintern«, forderte er sie auf.
»Jeanne?«, fragte Wolf gedehnt.
»Ihr Künstlername. Sie hat eine Boutique. ›Chez
Jeanne‹, unten am See.«
Endlich erhob sich Jeanne. Ohne Scheu warf sie das
Badelaken auf das Bett, bückte sich nach einigen auf dem Boden verstreuten
Kleidungsstücken und ging, nackt, wie Gott sie schuf, über den Flur in das
gegenüberliegende Zimmer. Aus den Augenwinkeln beobachtete Wolf, wie Kalfass
beinahe die Augen aus dem Kopf fielen. Er lächelte amüsiert, während Jo der
Brünetten folgte und die Tür hinter sich schloss.
Zwischenzeitlich hatte auch Wolf den Raum einer kurzen
Inspektion unterzogen. Schien ein einträglicher Job zu sein, den Starek da
ausübte. Objektberater! Jedenfalls sprachen die Möbel, Bilder und Teppiche für
ein mehr als auskömmliches Einkommen (er musste innerlich kurz über diesen
Wortwitz lachen), wenn auch nicht gerade für Geschmackssicherheit, was die Kombination
der durchweg teuren Stücke anging.
»Ihre Frage?« Sichtlich genervt erinnerte ihn Starek
an den Grund ihres Hierseins.
»Zunächst mal nur eine: Wo waren Sie heute zwischen 13
und 15 Uhr?«
»Hier, mit Jeanne beim … na, Sie wissen schon.« Starek
zwinkerte ihm zu.
Wolf ging nicht darauf ein. Vor wenigen Augenblicken
hatte Kalfass ihm unmerklich zugenickt, um zu signalisieren, dass er Starek
wiedererkannt hatte.
»Herr Starek, es gibt Zeugen, die Sie gegen 13.45 Uhr
auf der Corso-Baustelle gesehen haben. Sie können ja nun nicht gleichzeitig mit
Ihrer … mit Frau Prechtl hier in der Wohnung gewesen sein. Also – was stimmt
nun?«
Für den Bruchteil einer Sekunde irrte Stareks Blick zu
Kalfass hinüber. Dann steckte er sich erneut eine Zigarette an und nahm einen
tiefen Zug, ehe er antwortete. »Absoluter Blödsinn. Was sollte ich dort?«
»Damit sind wir bei
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