Seeherzen (German Edition)
nicht einmal, ob wir sie überhaupt gebrauchen können, aber sie bei uns zu Hause zu haben, Mums und Dads Sessel Seite an Seite … ich glaube, das fände ich sehr schön.»
Ich hatte mich auf meinem Stuhl immer weiter vorgebeugt, sodass ich nun den Kopf heben musste, um Kitty ins Gesicht zu sehen. Sie betrachtete mich eine Weile betont nüchtern. «Zwei Tage», sagte sie. «Zwei Sessel. Du hast recht», sagte sie, «es ist schön, ein paar Andenken zu haben.» Sie blickte in ihren Schoß, spielte mit den Falten ihres Rocks und strich sie glatt. Dann sah sie auf; sie nickte. In diesem Moment liebte ich sie. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie unkompliziert und angenehm unser Eheleben verlaufen würde.
«Wann willst du aufbrechen?»
«Das nächste Boot fährt am Mittwochmorgen. Ich bin sicher, dass Mr. Bryce mir freigibt. Schließlich war es sein Vorschlag, die Sache so abzuwickeln.»
«Am Samstag ist unser Verlobungsessen. Bist du bis dahin zurück und mit allem fertig?»
«Oh, dann warte ich wohl besser bis nächste Woche, damit ich dir hier mit dem Essen helfen kann!»
«Nein, nein», sagte sie. «Bring es so schnell wie möglich hinter dich.» Sie lächelte mich verhalten an.
Am Dienstag kaufte ich auf dem Markt ein paar Festlandblumen für Dads Grab. Solche Blumen hatte auf Rollrock bestimmt noch nie jemand gesehen; Dad wäre wahrscheinlich ziemlich verdutzt über die Blumen gewesen, aber das war zum Teil meine Absicht – ihm zu zeigen, wie weit ich mich von dieser Insel entfernt hatte, von unserem beengten Dasein dort.
Am Mittwochmorgen bestieg ich mit meinen Blumen die
Fleet Fey.
Ich saß vorm Brückendeck, während wir durch den Hafen tuckerten und weiter draußen zwischen den Heads hindurchfuhren, deren Spitzen von der aufgehenden Sonne in Gold getaucht wurden. Als das Land hinter uns verschwand, wurde ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder von der Weite, Tiefe und Rätselhaftigkeit des Meeres übermannt und von der Erkenntnis, wie winzig wir Menschen und unsere Schiffe im Vergleich dazu waren. Das Wasser wogte, walzte und sank unter mir, und mir fiel wieder ein, dass mir das Meer als kleiner Junge wie eine riesige feindselige Bestie vorgekommen war, die mit uns auf unserer kleinen Insel oder auf unseren kleinen Booten selten Gutes im Sinn hatte.
Ich hatte Mums und meine Überfahrt von Rollrock nach Cordlin als lange Seereise in Erinnerung, die mindestens einen Tag gedauert hatte, deshalb war ich sehr erstaunt, ja beinahe beunruhigt, wie bald die Insel vor uns aus dem Meer aufragte, wie schnell Potshead aus den Hängen hervorwuchs und sich in den zerklüfteten Flanken verdichtete, während wir um die westliche Landspitze herumschaukelten. Ich fühlte mich nicht ansatzweise bereit. Doch wovor hatte ich Angst? Ich war jetzt ein Cordlin-Mann. Ich würde mich um den Verkauf meines Hauses und um den Transport der Sessel kümmern und dann wieder verschwinden.
Das Dorf wirkte kleiner und ärmlicher, als ich es in Erinnerung hatte, als hätte das Wetter es noch weiter in den Hügel hineingedrückt. Clancy Curse kam mit denselben aufgesetzt lässigen Bewegungen, die ich aus meiner Kindheit kannte, von der Mauer vor Fishers Laden herübergeschlendert, ergriff die Taue und wickelte sie auf die mir altbekannte Weise um die Hafenpoller. Er war ein ziemlich kleiner Mann – alle Männer, die beim Einlaufen der Fähre dabeistanden, waren kurz geraten, dabei hatte ich sie als Riesen in Erinnerung, deren Köpfe aus den Wolken herausragten, voller Weisheit, Wetter und langjähriger Erfahrung. Aber nein, sie waren kleine klumpige Kerle, einige von ihnen krummbeinig, die Haut ledrig von den Jahren draußen auf den Booten bei Wind und Wetter.
«Bist du das, Dominic?», fragte einer von ihnen. Es war Shy Tyler, der so alt war wie ich, aber ein wettergegerbtes Gesicht hatte. Er lächelte und schüttelte mir herzlich die Hand. «Was bringt dich denn hierher zurück?» Er warf einen Blick auf meine Blumen. «Bist du auf Brautschau?»
«Die sind für meinen Dad», sagte ich. Die merkwürdigen leuchtenden Dinger schlackerten in ihrer trichterförmigen Zeitungspapierumhüllung hin und her.
«Ach, na klar. Und du willst dich hier auch um den Hausverkauf kümmern?»
«Ja, genau! Das weißt du also schon?»
Er grinste. «Wenn du was geheim halten willst, erzählst du’s nicht Neepny Fisher. Dafür kabbeln sich jetzt schon mehrere junge Kerle um dein Haus, brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du willst sicher direkt
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