Seeherzen (German Edition)
mir, Unterwäsche für Neme zu kaufen, und bestand darauf, mir eine Strickjacke und einen Mantel für sie zu leihen, «damit das arme Mädchen es schön warm hat». Sie wollte wissen, ob ich genug Feuerholz und Lebensmittel hätte, während Neepny mich zwischendurch immer wieder mit Fragen bestürmte, die ihm gerade in den Sinn kamen: «Aber was willst du deiner Verlobten aus Cordlin sagen?», und: «Wie wirst du dich hier über Wasser halten? Du musst dir Arbeit auf einem der Boote besorgen!»
Sie schickten mich überhäuft mit Geschenken und allem Notwendigen aus dem Laden und brachten mich sogar bis zur Tür, um mich zu verabschieden. Darely rang die Hände, als wäre sie am liebsten mit zu mir gekommen, um sich davon zu überzeugen, dass meine neue Frau auch wirklich alles hatte, was sie fürs Erste brauchte. Ich stieg den Hügel wieder hinauf und war sehr ermutigt, erleichtert sogar, dass ich mich nun in guter Gesellschaft befand. Potshead wimmelte nur so von Dominic Malletts, jeder war seiner fremdartigen Frau zugetan, jeder darum bemüht, sie zu behalten und, so gut er konnte, glücklich zu machen.
Zurück im Haus, zeigte ich Neme, wie man sich anzieht, wir frühstückten und erlebten dabei jede Menge kleine Abenteuer in Form von Entdeckungen und Missverständnissen. Danach ging ich mit ihr nach unten in Fishers Laden und zu Shy Tyler und Fametta, die sie mit vielen Umarmungen und freudigen Ausrufen empfingen. Fametta und Darely versprachen, auf Neme aufzupassen, während ich mich um meine Cordlin-Angelegenheiten kümmern würde. Sie redeten von Hochzeitsvorbereitungen und Treffen, um Neme in ihrem Frauenkreis willkommen zu heißen, und ich nickte, bedankte mich und bekam es ein wenig mit der Angst zu tun. Dies war der Tag, den ich nie hätte erleben sollen, wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre, und doch: Hier war ich, ließ mich gefügig einwickeln, wie ein Oktopus einen Fisch einwickelt, bevor er ihn sich einverleibt.
Dann nahm ich Neme an die Hand und spazierte mit ihr bis hinter die Crescent Cove zum Six Mile Beach, wo man endlos weit über den Sand laufen kann, wenn man sich Wut oder schlechte Stimmung von der Seele stapfen möchte. Wir liefen vor uns hin, redeten ab und zu miteinander, über meine missliche Lage und ihr neues Leben und die Leute, die wir kurz zuvor getroffen hatten, und das wenige, was ich noch von früher über sie wusste. Wie anders es war, als sich mit Kitty zu unterhalten! Bei jeder Äußerung mussten wir einen Weg finden, uns dem anderen verständlich zu machen, da hinter unseren Worten verschiedene Vergangenheiten lagen, unsere verschiedenen Welten über und unter Wasser, unsere verschiedenen Seinszustände. Kitty und ich hatten uns immer über Dinge und Angelegenheiten ausgetauscht, die uns beiden vertraut gewesen waren, was mir jetzt im Vergleich so vorkam, als hätte ich mit mir selbst geredet, so einfach war es zu verstehen gewesen. Von hier aus betrachtet, vom Strand aus, mit Nemes schmaler Hand in meiner Armbeuge und ihren vielen Fragen, erschien es mir, als wären alle Gespräche mit Kitty eintönig gewesen, hätten nichts Neues enthüllt und uns kein Stück weitergebracht.
Ich erzählte Neme von meiner Absicht, nach Cordlin zu fahren und Kitty persönlich zu erzählen, was passiert war.
«Aber Dominic Mallett», sagte sie. «Was, wenn deine Liebe zu ihr wieder aufflammt, sobald du Kitty siehst? Ich habe Angst, dass du doch bei ihr bleibst und sie wie versprochen heiratest, wenn du erst einmal in ihrer Nähe bist und sie siehst. Glaubst du nicht, du könntest mich einfach vergessen, wenn sie vor dir steht und geküsst werden will, dich heiraten will? So wie du sie vergessen konntest und dich auf den ersten Blick in mich verliebt hast?»
Ich blieb mit offenem Mund im Sand stehen. «Hältst du mich für so wankelmütig?», fragte ich. «Glaubst du, ich hätte solche … Nächte, wie wir sie gerade hatten, jemals mit Kitty erlebt? Glaubst du, meine Treue und Liebe schwenken so schnell auf die Frau um, die gerade vor mir steht?»
«Warum denn nicht?»
Daraufhin musste ich ihr erst einmal erklären, dass Männer nicht wie Robbenbullen sind und dass wir Menschen uns zu zweit zusammentun, so wie Vogelpärchen und viele andere Tiere auch. «Ich werde dich nie so einfach vergessen können», sagte ich, «jetzt, wo wir uns gefunden haben.»
Sie drückte mir eine Meermünze in die Hand – eine Muschel, die auf einer Seite flach geschliffen und auf der anderen gefurcht
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