Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
Vom Netzwerk:
oder Logik. Das ist nichts Zivilisiertes. Es ist kaum
menschlich

    Sie wurde von ihren eigenen Tränen überrascht; einen Moment lang fielen Zorn und Entsetzen von ihr ab, und aus ihrem Gesicht sprach nur noch pures Unglück. In diesem Moment konnte ich mir vorstellen, sie wieder zu lieben, und bedauerte, dass ich meine Kraft nicht dafür einsetzen konnte, sie in die Arme zu schließen und die Angelegenheit geradezurücken. Ich hielt die Meermünze, die Neme mir mitgegeben hatte, in meiner Manteltasche fest umklammert; ich drückte sie, als wollte ich sie zu Staub zerquetschen und meine Verbindung zu Neme gleich mit. Gleichzeitig wünschte ich mir, der Münze magische Kräfte entlocken zu können, um darauf fortzuschweben – so wie eine Hexe angeblich auf einer Nussschale fliegen kann –, fort aus diesem beklemmenden Raum und nach Rollrock, wo ich hingehörte. Die Sache war erledigt; ich hatte Kitty betrogen und es ihr gestanden; nun wollte ich nur noch weg.
    Sie kämpfte mit den Tränen. Als eine weitere hinuntertropfte, schlug sie sich die Träne beinahe von der Wange.
    «Ich werde dich nicht bitten, mir zu verzeihen», sagte ich.
    «Gut!» Sie funkelte mich zornig an. «Das werde ich nämlich nicht, niemals. Wenn ich an all die Leute denke, denen ich gegenübertreten und davon erzählen muss! Ganz zu schweigen davon, was du
mir
angetan hast!» Sie hieb sich mit der Faust gegen die Brust, als wollte sie ihr Herz darin zum Anhalten bringen.
    «Ich kann dir nur sagen, es tut mir schrecklich leid, dass uns das zugestoßen ist.»
    Eine Stille unterbrach ihr mühsames Atmen. Was hatte ich gesagt? Sie sah zu mir auf, und ihre Augen waren so trocken, als hätte sie nie geweint und als würde sie es auch nie wieder tun, obwohl ihre Wange noch den Glanz der Träne trug, die sie fortgeschlagen hatte.
    «Uns
zugestoßen
, Dominic?» Ihre Stimme bebte vor Zorn. «Nur damit kein Missverständnis entsteht, Dominic: Uns ist nichts
zugestoßen
.
Du
hast
mir
das
angetan
. Du hast dich für diese Kreatur entschieden anstatt für mich; du lässt mich beschämt in dieser Stadt zurück – am Abend vor unserem Verlobungsmahl. Red dir bloß nicht ein, es sei uns
zugestoßen
; versuch ja nicht, dich damit zu trösten.»
    Sie starrte zu mir hoch. Es hätte nichts gebracht, ihr zu erklären, dass es mir tatsächlich
zugestoßen
, mir
zugefügt
worden war, wie mir allmählich dämmerte. Auf Rollrock, in Nemes Armen, hatte ich geglaubt, ich sei aus einem Zustand der Verwirrung erwacht und meine Verlobung mit Kitty nur ein Zeichen meiner Unsicherheit gewesen; ich hatte meine Zukunft vor mir liegen sehen, eigenartig, aber eindeutig, erschreckend, aber voller Schönheit. Ich wollte diese Sicht der Dinge nicht zugunsten jener neuen aufgeben, in der ich Misskaellas Marionette war.
    «Weißt du was?» Kittys Augen funkelten.
    Ich senkte den Kopf, um mich für ihren nächsten Schlag zu wappnen, wie auch immer er aussehen mochte.
    «Ich bin
froh
, dass du sie noch rechtzeitig gefunden hast. Ich bin
erleichtert
, dass du mir gezeigt hast, was für ein Mann du wirklich bist, bevor mich die Hochzeit für immer an dich gekettet hätte. Die ganzen Jahre, in denen wir zusammen waren, hast du mich gut an der Nase herumgeführt, Dominic. Weißt du, vielleicht habe ich mir einfach so gewünscht, dass du jemand sein könntest, der du nun mal nicht bist – ehrenhaft, treu, rechtschaffen und mit etwas Rückgrat –, dass ich alle möglichen kleinen Hinweise übersehen habe, die mir eigentlich hätten auffallen sollen. Blicke, die du anderen Frauen zugeworfen hast und die mir unschuldig vorkamen, Worte, die du gesagt hast, die ich auch anders hätte verstehen können.»
    Sie hielt inne, als wollte sie mir die Gelegenheit geben, ihr erneut zu widersprechen, es abzustreiten. Doch sie lag so vollkommen daneben und war mit solchem Feuereifer dabei, ihre falsche Anschauung zu konstruieren, so in Cordlins Leben und Ansichten
gefangen
– wie auch ich es gewesen war –, dass ich nicht wusste, wo ich mit meinen Entgegnungen ansetzen sollte. Abgesehen davon wollte ich es auch gar nicht; ich hatte getan, was ich getan hatte. Ich hatte jeden Vorwurf verdient, den sie mir an den Kopf warf.
    «Es ist sowieso egal», fuhr sie fort. «Jetzt ist alles klar, und ich sehe dich als den Schwächling, der du bist, der mich verraten und mit meinen Gefühlen gespielt hat. Du kannst gehen», sagte sie und erhob sich. «Und ich wäre dir dankbar, wenn du dich mir, meiner

Weitere Kostenlose Bücher