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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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der Strecke arm- und beinlos vorwärtshieven.
    «Wo steckt denn ihr Mann?», fragte jemand. «Ist der so in seine Trauer versunken, dass er sie einfach wegschwimmen lässt?»
    Und dann war Aggie nur noch ein nackter Rücken und ein nackter Po inmitten des weißen Wasserwirbels. Die grün-weiße Gischt schäumte über ihr auf, schleckte ihr das Blut ab und schluckte es herunter, klebte ihr die Haare platt an den Kopf. «In der eisigen Kälte!», schluchzte eine Frau hinter mir, doch Aggie stürzte sich in die Wellen und schwamm mit kräftigen Zügen; dort draußen war sie nicht mehr schwerfällig, und die Kälte schien ihr nichts auszumachen.
    «Sie sollte besser im Windschatten der Mole bleiben», sagte Prentice Meehan über mir. «Weiter draußen wird es noch kälter.»
    «Sie schwimmt nicht, weil es so
gesund
ist», sagte seine Frau. «Und sie hat auch nicht vor, irgendwo zu
bleiben

    Die Mums, die Aggie gefolgt waren, liefen flehend und winkend über die Südmole. Die Männer hatten sich an der wogenden Wasserlinie aufgereiht, versuchten, Aggie ausfindig zu machen, riefen und starrten vergebens. Ich musste wieder an Rab Wholeman denken, wie er an jenem Tag im Pub ganz allein mit seiner Schuld gewesen war, während wir vor ihm zurückwichen, als wären selbst seine Berührungen giftig. Das hier war das genaue Gegenteil: Alle drängten vorwärts, riefen um Hilfe oder brüllten ihre Besorgnis hinaus, und trotzdem ließ Aggie sich nicht zurückhalten, sondern schwamm mühsam, aber entschlossen ins kalte Meer hinaus, als wäre keiner von uns da.
    «Sie ertrinkt lieber», sagte Mrs. Meehan mit einer Mischung aus Gewissheit und Ungläubigkeit in die kleine Stille hinein, die sich über uns gelegt hatte. Wir konnten Aggie nur noch hinterherstarren, ihrem winzigen Körper auf dem offenen Meer; mittlerweile war sie jenseits der Wellen angekommen und kraulte über die riesige, vom Wind durchpflügte Fläche, erweckte spritzend das Grün im Grau zum Leben und zog ihre ungerade weiße Linie immer weiter hinaus.
    «Bei der Kälte gehen ihr bald die Kräfte aus», flüsterte ein Mann.
    Das Heulen des Windes verwandelte sich in das Heulen eines Mannes – «Aggie!», rief Bannister, der jetzt am hinteren Ende der Häuserreihe auftauchte und angerannt kam.
    «Er hat ihren Pelz!» Die Robbenhaut umflatterte ihn; es sah aus, als wäre sie zufällig auf Bannister zugeweht worden und als versuche er, sich davon zu befreien.
    «Dafür ist’s jetzt zu spät», sagte Whisky Jock.
    Bannister stolperte verzweifelt weiter; Aggie war ein Punkt im Wasser, ein kurz aufblitzender weißer Hüftknochen, ein spritzender weißer Fuß, dann nichts mehr, verborgen hinter einer glasig-grün aufwogenden Welle.
    Bannister rannte wie von Sinnen mit ausgestreckten Armen über die Mole, seinem sonstigen Kummer gewaltsam entrissen, den Mund sperrangelweit geöffnet wie ein brüllendes Baby. Der Wind und die Wellen zerfetzten seine Schreie und schleuderten uns die Fragmente entgegen, seltsame Laute, die von einem verletzten Tier zu kommen schienen, nicht von einem Menschen, einem erwachsenen Mann.
    Er lief bis ans Ende der Mole, machte aber auch dort nicht Halt. Er versuchte, dahinter hinabzuklettern.
    «Mach keinen Blödsinn, Mann!», rief einer der Männer.
    «Das Wasser wird ihn wegreißen!», sagte eine Frau wie in Trance.
    Das Meer setzte zum Sprung an und klatschte auf den Rand der Mole, eine gigantische Gischtfanfare. Bannister taumelte durchnässt zurück. Er blieb einen Moment dort stehen, hielt den Pelz fest umklammert und starrte aufs Meer hinaus, wo Aggie auf- und abtauchte, sich hin und her wippend durch die wilderen Wellen kämpfte, die in unregelmäßigen Abständen und aus allen Richtungen über ihr zusammenschlugen.
    Die Sonne stach ein Loch in die Wolken, schnitt eine Schneise in den Schaum und den einsetzenden Regen, warf hinter dem Ende der Mole einen Lichtfetzen aufs Meer. Bannister schleuderte den Pelz ins Wasser. Weit flog er nicht, dafür war er zu schwer, und der Wind blies aus der Gegenrichtung. Er flog wie ein Klumpen durch die Luft, platschte aufs Wasser und war verschwunden. Dann tauchte er wieder auf und kämpfte, wie Aggie, darum, sich über Wasser zu halten.
    Unser Schweigen an der Uferbrüstung wurde noch angespannter – der Robbenpelz und Aggie schwammen weit voneinander entfernt, und keiner bewegte sich auf den anderen zu. Ein Zipfel des Pelzes brach durch die Wasseroberfläche hindurch, der Rest schwebte in einer

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