Seeherzen (German Edition)
Kämmende und Gekämmte in verträumter Eintracht.
Ihre Gespräche wurden unverständlicher, und es mischten sich immer mehr Seufzer darunter – und mehr Robbenlaute: Dem hohen sehnsüchtigen Singen, Pfeifen und Hüsteln, das bei ihren Versuchen herauskam, folgte immer ein Lachen oder Kopfschütteln. Es entzückte sie, wenn die ganz kleinen Jungs, die gerade erst sprechen lernten, versuchten, diese Laute nachzuahmen; nichts erheiterte sie mehr, als wenn einem solchen Winzling ein kleines Häppchen Robbengesang gelang und seine Mum ihm singend antwortete.
Diese Treffen waren der einzige Rahmen, in dem wir diese Gesänge und die Versuche der Mums, sich in ihrer Robbensprache zu unterhalten, zu hören bekamen. Als ich noch ziemlich klein war, kam mir irgendwann der Gedanke, dass wir in dem Maße, in dem wir zu Männern heranwuchsen, den Gefallen an diesen Geräuschen verlieren würden. Männer wollten vermutlich gar nicht wissen, was sie bedeuteten, wollten kein sinnloses Gebrabbel hören.
Ich erinnere mich, wie meine Mum und ich einmal am Six Mile Beach in der Sonne auf einer Decke im Sand lagen, als plötzlich ein Gedanke aus meinem Mund heraussprudelte: «Wenn ich mal eine Frau habe, dann erlaube ich ihr, bei uns zu Hause Robbensprache zu sprechen.»
«Ach ja?», fragte sie überrascht. «Und warum willst du das tun, mein Daniel?»
«Weil die Frauen glücklich sind, wenn sie Robbensprache sprechen, und ich möchte, dass meine Frau glücklich ist.»
Zufrieden mit mir und meinem Wunsch lag ich dort – zufrieden, dass ich so nett gewesen war, ihn Mum gegenüber geäußert zu haben, zufrieden mit meinem Plan für mein zukünftiges Ich, das ein liebens- und bewundernswerter Mann werden würde. An diesem Tag war einfach alles gut, die wärmende Sonne, meine Mum und ich auf unserer Deckeninsel, andere Mums etwas weiter entfernt, andere Jungen, die durchs Wasser liefen und hüpften.
Mum drehte sich zu mir, stützte den Kopf in die Hände. «Mein Liebling», sagte sie sanft, «wenn du möchtest, dass deine Frau glücklich ist und die Robbensprache richtig sprechen kann, dann wirst du sie nicht zur Frau nehmen.»
Einen Augenblick lang ergab unser Gespräch keinen Sinn mehr. Stirnrunzelnd blickte ich zu Mum auf, die Hände immer noch unter dem Kopf verschränkt, ganz der kleine entspannte Gentleman.
«Oh!», sagte ich dann. «Aber wer kocht dann mein Essen und wäscht meine Wäsche? Wer fegt mir das Haus?»
Sie pikte mich in den Bauch. «Nun, das könntest du wohl selbst erledigen. Du bist ein guter Feger, sehr gründlich.»
«Aber wer wird die Mum meiner Söhne?»
«Eine Frau», sagte sie. «Eine Frau vom Festland, eine von deiner Art. Mit so einer Frau könntest du auch Töchter haben. Töchter sollen ein großer Trost sein, habe ich gehört.»
In einem Anflug von Eifersucht auf diese Töchter, die sie nicht hatte, und den Trost, den sie ihr nicht bringen konnten, warf ich mich auf sie. «
Söhne
sind ein großer Trost!», rief ich, klammerte mich an ihr fest und drückte ihr herrische Küsse auf, küsste den ernsten Ausdruck von ihrem Gesicht und brachte sie zum Lachen, schob das ganze Gerede über die Zukunft
in
die Zukunft, wo es hingehörte.
«Das stimmt. Sie sind ein großer Trost!» Und beim Anblick meines drängenden Gesichtsausdrucks musste sie noch mehr lachen. «Ganz besonders mein Sohn, mein Daniel!»
Ich war so sehr damit beschäftigt, ihr diese Beteuerungen zu entlocken, mein Bedürfnis danach zu befriedigen, dass ich gar nicht auf die Idee kam, mich – und erst recht nicht sie – zu fragen, warum sie denn überhaupt Trost brauchte.
Ich lungerte vor Grinnys Haus herum. Er war krank, saß drinnen im Armsessel, und wir unterhielten uns durchs Fenster hindurch, das einen Spalt offen stand. Es war ein bitterkalter grauer Tag, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen konnte, und in allen Häusern brannte Licht, obwohl es erst kurz nach Mittag war.
Ein weißer Geist kam den Hügel heruntergerannt, lief aber viel schneller als ein Geist, mit klatschenden Schritten und rasselndem Atem. In dem Moment, in dem ich hinsah, war sie schon vorbeigelaufen.
«Was zum Teufel …?», fragte Grinny und stemmte das Fenster weiter auf, obwohl seine Mum es ihm verboten hatte.
Das Haar floss ihr wie schwarze Farbe den Rücken hinunter, ihre geschundenen Füße rannten – vom Schuhetragen waren sie verbogen und voller Blasen –, die Fußsohlen grau vor Dreck.
«Das war Aggie Bannister», sagte
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