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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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alles vermasselt«, sagte ich. Was ich wirklich sagen wollte, war: »Bin ich immer noch deine Freundin?«, aber ich wusste, dass das auf noch mehr Spott stoßen würde.
    Rad wurde ein bisschen weicher. »Komm, lass uns nach Hause fahren und das alles vergessen. Es ist nicht wichtig.« Er zog die Tür auf, und der Raum wurde von wässrigem Sonnenlicht überflutet. »Wenn du so weit bist«, sagte er, und ich war mir nicht sicher, ob er mich drängte, mich zu beeilen, oder sich auf das größere Problem bezog, doch seit dieser Zeit lag eine gewisse Beherrschung in seinen Küssen, und er war vorsichtig, mich nicht auf eine Art zu berühren, die eine Wiederholung der Unstimmigkeiten von jenem Tag nach sich ziehen könnte.

36
    »Ich treffe mich heute mit deinem Vater«, sagte Birdie eines Morgens, als wir im Waschsalon standen und die Trockner mit Radley-Bettzeug beluden. Es war ein Zeichen ihrer vollständigen Integration in die Familie, dass sie jetzt den vollen Anteil des Dienstplans übernahm. Ich war über die Neuigkeit ein wenig erstaunt. Birdie hatte zwar schon seit einiger Zeit Andeutungen in diese Richtung gemacht, und ich hatte mir vage vorgestellt, ein Treffen zu arrangieren, aber nichts dergleichen unternommen. Ich hatte das Thema Vater gegenüber nicht einmal angeschnitten. Ich nehme an, ich war stellvertretend für ihn nervös, dass sie sich nicht verstehen würden oder, was wahrscheinlicher war, sich nichts zu sagen hätten. Aber es muss auch ein wenig Eifersucht dabei gewesen sein, denn mein Beschützerinstinkt Birdie gegenüber verschwand nahezu augenblicklich, als sie sagte, sie würde sich mit ihm treffen. Ich fühlte mich hintergangen.
    »Wie habt ihr das arrangiert?« Ohne mich , fragte ich.
    »Ich habe ihm ein paar Zeilen geschrieben, und er hat zurückgeschrieben, dass ich ihn zu einer bestimmten Zeit anrufen soll, und wir haben uns am Telefon ein bisschen unterhalten, und er sagte, wir könnten uns heute Nachmittag in der Central Library treffen.«
    Typisch Vater. Nur er konnte solch ein potenziell riskantes Treffen in einer Bücherei arrangieren, wo man sich unmöglich in Ruhe unterhalten konnte. Birdie muss meine Gedanken gelesen haben, denn sie fuhr fort: »Wir treffen uns nur dort, weil wir es beide kennen. Wir gehen dann in ein Café oder so was. Er konnte ja schlecht zu mir nach Hause kommen, und er sagte, seine Wohnung sei für Besucher ungeeignet.«
    »Du wirst ihn erkennen, denn er sieht aus wie wir«, sagte ich. »Und er wird einen Tweedhut tragen, egal wie das Wetter ist.«
    Ich hatte große Lust, dieses bizarre Treffen heimlich zu beobachten, aber natürlich tat ich es nicht. Besonders ärgerlich war, dass ich meine Informationen nur von Birdie bekommen würde. Ich war nicht fähig, Vater anzurufen und ganz nebenbei zu fragen, wie es gelaufen war. Wenn es um das Wiedergeben von Details ging, war er sowieso hoffnungslos; alles, was ich aus ihm herauskriegen würde, wären einsilbige Antworten.
    Stattdessen besuchten Rad und ich Auntie Mim im Krankenhaus. Mr. Radley, der sie zu meiner Überraschung jeden Tag besuchte, hatte uns gesagt, dass sie nicht gut aussah. Sie hatte jede Nahrung verweigert und wurde jetzt durch einen Schlauch ernährt, den sie ständig herauszureißen versuchte. »Das wird sie an ihre Jugend erinnern«, sagte Mr. Radley. »Sie war eine Suffragette.«
    Wir kauften im Foyershop ein paar Blumen, und ich erstand eine Ausgabe der Zeitschrift Country Living. Das brachte meine Mutter ihren Bekannten immer ins Krankenhaus mit, wahrscheinlich weil sie glaubte, dass Bilder von edlen Möbeln und schön angelegten Gärten die Patienten von ihrer bedrückenden Umgebung ablenkten. Oder vielleicht auch, dass Neid ein Ansporn zur Genesung war, ich weiß es nicht.
    »Wir können ihr nicht mal Trauben mitbringen«, sagte Rad.
    Wir liefen durch die labyrinthähnlichen Korridore, wobei unsere Schuhe auf dem Vinyl quietschten. Auf der Feltham Station, wo wir sie vorzufinden erwartet hatten, war das Bett abgezogen und leer. Wir wechselten einen beunruhigten Blick und gingen zu dem Schreibtisch, an dem eine Krankenschwester saß und einen Stundenzettel ausfüllte.
    »Sie ist auf die Fairfax 2 verlegt worden«, sagte sie und deutete ruckartig mit ihrem Kuli in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Eine weitere halbe Meile aus Korridoren führte uns aus dem modernen Block heraus, durch einen überdachten Fußweg in die alten Gebäude, die schon mehrmals für abbruchreif erklärt worden

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