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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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worden, und jetzt war dort eine Schleuse und eine kleine Insel. Das Gebiet hieß Penton Hook: Der Ort, der auf Rads Postkarte abgebildet war. Mir kam die Idee, dass er vielleicht im Cottage des Schleusenwärters wohnte; wenn nicht, könnte mich dort sicher irgendjemand in die richtige Richtung weisen.
    Es dauerte zwei Stunden bis nach Laisham. Selbst mit den Karten auf dem Beifahrersitz verfuhr ich mich mehrmals, verirrte mich in einem Einbahnstraßensystem in Kingston und landete auf der falschen Seite des Flusses. Meine Aufmerksamkeit in Mrs. Twiggs Unterricht im Kartenlesen in der siebten Klasse war offensichtlich umsonst gewesen. Schichtstufen zu identifizieren und die Koordinaten einer Jugendherberge und einer Kirche ohne Turm oder Turmspitze anzugeben, hatte sich für die Praxis als nicht ausreichend erwiesen.
    Schließlich fand ich, was ich gesucht hatte. Ein Durchgang zwischen zwei Häusern in einer ruhigen Wohnstraße führte an einer Baustelle vorbei zum Fluss, und da war es: Die Schleuse und das weiße Cottage auf dem Bild, das nun seit Wochen auf meinem Kaminsims stand. Ein Mann im Arbeitsanzug saß im Sonnenschein auf der Türstufe und montierte mit zwei Löffeln einen neuen Reifen an ein Fahrrad. Er blinzelte zu mir hoch, als ich mich näherte.
    »Kennen Sie ein Haus namens Wentworth?«, fragte ich und kam mir plötzlich töricht vor.
    Er nickte leicht. »Ich kann Ihnen den Weg beschreiben, aber wenn Sie den Jungen suchen, der dort wohnt, der ist draußen auf der Insel und angelt.« Er deutete über das Wehr.
    Ich dankte ihm und wartete ungeduldig an der Schleuse, während die Tore aufschwenkten, um einen Vergnügungsdampfer durchzulassen. Der Dunst hatte sich inzwischen ganz aufgelöst, und eine milchige Sonne schimmerte auf dem Wasser, als ich das Wehr zur Insel überquerte.
    Er saß am Ufer, mit dem Rücken zu mir, ganz hinten bei den Bäumen, auf einem dieser grünen Klappstühle ohne Beine. Vor ihm war eine Angelrute aufgestellt, und er hielt den Kopf gesenkt, als würde er lesen, doch als ich näher kam, sah ich, dass er schlief, eine aufgeschlagene Ausgabe von Huckleberry Finn mit dem Text nach unten auf dem Schoß. Vorn an der Angelrute hing ein silbernes Glöckchen. Plötzlich ritt mich der Teufel; ich streckte die Hand aus und zog kurz an der Leine, wodurch die Glocke zu bimmeln anfing. Rad fuhr heftig zusammen und stürzte sich auf die Rute, wodurch Huckleberry Finn in den Fluss purzelte. Er gab eine Art verärgertes Zischen von sich, das sich in Überraschung verwandelte, als er mich sah.
    »Entschuldige«, sagte ich entsetzt, ließ Pralinen und Osterglocken fallen und kletterte die Böschung hinunter, um das Buch zurückzuholen, das jetzt in fünfzehn Zentimeter tiefem, schlammigem Themsewasser lag. Ich wischte es am Gras ab und gab es ihm triefend zurück.
    »Hallo«, sagte er und warf mir einen seiner süffisanten Blicke zu. »Du bist die Erste, die in dieser Woche angebissen hat.« Er reichte mir seine Hand und zog mich aus dem Schlamm aufs Gras.
    »Das hätte ich nicht tun sollen«, sagte ich. »Ich habe nur dieses Glöckchen dort gesehen und konnte nicht widerstehen.«
    »Ich dachte, du wärst ein zwanzig Pfund schwerer Hecht«, sagte er.
    »Tut mir Leid, wenn ich dich enttäusche.«
    »Oh, ich bin nicht enttäuscht.«
    »Frances hat mir geschrieben, dass du einen Motorradunfall hattest und Aufmunterung brauchst.«
    »Deshalb dachtest du, du kommst mal vorbei und wirfst mein Buch in den Fluss.«
    »Dieses Detail hatte ich nicht eingeplant. Ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe - beim Einkaufen und so. Frances hat mir den Eindruck vermittelt, dass jeder einzelne Knochen in deinem Körper gebrochen war.«
    »Ich fürchte, du bist unter falschen Vorwänden hergelockt worden: Ein Bein war unversehrt.«
    »Das sollte nicht enttäuscht klingen. Ich bin froh, dass es dir so gut geht.«
    »Vor ein paar Wochen habe ich beeindruckender ausgesehen, als ich noch in Gips war. Jetzt komme ich mir vor wie ein Simulant, obwohl ich immer noch nicht weit laufen kann.«
    »Wie ist es passiert?«
    »Ich bin von der Arbeit nach Hause gefahren - ich denke. es war nicht lange, nachdem wir uns im Barhican über den Weg gelaufen sind und da sauste ein kleines Kind auf einem Schlitten aus einer Einfahrt direkt auf die Straße. Ich hin ausgewichen, ins Schleudern gekommen, gegen ein parkendes Auto gefallen und das Motorrad auf mich. Es war meine Schuld - ich bin zu schnell gefahren.«
    »Gott. Du hast Glück,

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