Seejungfrauen kuesst man nicht
wie sie vielleicht 1965 für jemanden akzeptabel gewesen wären, der halb so alt war wie sie, und eine Jacke aus schwarzer Wolle, die mich an einen Pudel erinnerte. Ihr Gesichtsausdruck war nicht besonders freundlich. »Das ist meine Frau Pauline«, sagte er mit einigem Stolz. Sie erwiderte mein Lächeln nicht, sondern drehte sich auf dem Absatz herum, ging ins Haus und knallte die Tür hinter sich zu. Eine eifersüchtige Frau, dachte ich, als Fish sich entschuldigte und die Einfahrt hinauf hinter ihr hereilte.
An diesem Abend räumte ich meine Wohnung auf. Sie war zwar aufgeräumt, aber wenn man genau hinsieht, gibt es immer was zu tun. Dann stellte ich Brittens War Requiem an - und zwar laut - und lag auf dem Sofa, die Tränen liefen mir in die Ohren, bis die Frau aus der Wohnung über mir an die Tür klopfte und mich bat, die Musik leiser zu drehen, weil sie versuchte, ihr Baby zum Schlafen zu bewegen.
Drei Wochen, nachdem ich meinen Brief an Frances aufgegeben hatte, kam an einem dunstigen Frühlingsmorgen ihre Antwort. Ihre rundliche Schulmädchenhandschrift auf dem Umschlag war unverkennbar. Er war auf einem dieser dünnen Aerogramme geschrieben, die man unmöglich öffnen kann, ohne dabei den halben Text einzureißen, und ich musste fünfzig Pence Nachporto zahlen, weil sie ein paar Fotos beigelegt hatte.
Liebe Abigail,
ich habe mich so über deinen Brief und deine Neuigkeiten gefreut, und ich bin wirklich froh, dass du es als Cellistin geschafft hast. Bist du in Wirklichkeit berühmter, als du vorgibst? Hast du zum Beispiel irgendwelche Aufnahmen gemacht? Wenn ja, schick mir bitte eine. Ich bin jetzt seit acht Jahren hier und fühle mich total australisch.
Das Einzige, woran ich mich nicht gewöhnen kann, ist Weihnachten im Hochsommer. Ich werde ganz sentimental wegen »Weißer Weihnacht« (es gibt bestimmt ein Wort, das die Sehnsucht nach etwas beschreibt, das man nie wirklich erlebt hat). Aber abgesehen davon, und von der Familie natürlich, kann ich nicht behaupten, dass ich Großbritannien vermisse. Ich habe im letzten Jahr die Staatsbürgerschaft beantragt, es erscheint mir verrückt, eine andere Nationalität zu haben als meine eigenen Kinder (Fotos anbei).
Wir wohnen etwa fünf Minuten vom Strand entfernt, deshalb verbringen wir dort die meisten Nachmittage: Es gibt eine ganze Gruppe von Müttern und Kindern, die sich dort treffen. Vormittags helfe ich in einem Kindergarten aus. Die Zwillinge (Esme und Hera, 5) sind jetzt in der Schule, und Tyler (3) geht mit mir in den Kindergarten. Ich beabsichtige nicht, diese häusliche Sklaverei unbegrenzt fortzusetzen, falls du dich das gefragt hast.
Sobald Tyler in der Schule ist, gehe ich auf die Universität und mache einen Psychologiekurs, damit ich Psychotherapeutin für die vielen Verrückten in dieser Gemeinde werden kann. Nev, mein Ehemann, ist plastischer Chirurg und stösst im Rahmen seiner Arbeit auf eine ganze Menge davon, deshalb wird er mir ein bisschen Arbeit zuschanzen können. (Nur ein Scherz.) Er behandelt viele Brand- und Verkehrsopfer und macht auch ein paar Schönheitsoperationen, aber mich hat er noch nicht unters Messer gelegt - wie man auf dem Foto erkennen kann, bin ich vollkommen unverschönert. Er sagt, er gibt mir einen Rabatt, wenn ich ein ganzes Paket buche - Schmolllippen, Bauchstraffung, Brustverkleinerung - gibt er gratis eine Nasenkorrektur dazu.
Es stimmt, dass ich seit der Geburt der Kinder nicht mehr in England war - ein Familienbesuch kommt nicht in Frage, aber einen Solotrip schließe ich nicht aus. Mum und Lawrence waren jetzt schon zwei Mal hier: Wir sind alle zusammen vierzehn Tage nach Carins gefahren und mit einem Boot zum Riff geschippert. Kannst du dir Mum mit einem Schnorchel vorstellen? Dad war letzten Sommer hier - er war wirklich lieb zu den Kindern - sehr großväterlich. Vielleicht versuche ich ihn zu überreden, hierher zu ziehen. Nevs Eltern leben in Melbourne, deshalb haben wir einen schrecklichen Mangel an Verwandten.
Ich konnte deinem Brief nicht entnehmen, ob du noch Kontakt zu Rad hast, wenn ja, wirst du schon von seinem Unfall wissen. Er ist im Januar im Schnee mit seinem Motorrad gestürzt und hat sich einen Arm, ein Bein, das Schlüsselbein und ein paar Rippen gebrochen. Er hat etwa sechs Wochen im Krankenhaus gelegen, aber anscheinend ist er jetzt draußen. Ich weiß das alles von Mum, die ihn gepflegt hat. Ich habe ihn seit meiner Hochzeit nicht mehr gesehen - fast sieben Jahre, aber er
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