Seejungfrauen kuesst man nicht
meiste Zeit in der Badewanne gesessen und immer wieder kaltes Wasser einlaufen lassen. Blush sprang ständig auf, um Moskitos totzuschlagen. Am Morgen hatte sie fünfunddreißig Stiche an den Beinen und tat sich verdammt Leid. Ich weiß nicht, aber dieses Jahr scheinen es mehr Stufen zu sein. Vielleicht haben sie die Villa höher gelegt oder den Strand niedriger oder so. Es ist ein bisschen zu heiß, um sich zu sonnen (natürlich nicht für Mum, deren Bikinioberteil bisher noch nicht aufgetaucht ist). Bis man sich eingeölt und in Position gelegt hat, ist man so verschwitzt, dass man schwimmen gehen muss, um sich abzukühlen. Blushs Rücken und Schultern sind knallrot. Gestern Abend haben wir sie am ganzen Körper mit Kalamin betupft, und jetzt sieht sie aus wie ein Stück Salami. Ungefähr dreißig Meter vom Ufer entfernt liegt ein Floß in der Bucht, von dem man springen kann, und darauf posieren immer mehrere braune Franzmänner. Ich bin heute ein paarmal allein dort hingeschwommen - Blush kann nicht schwimmen und geht nur so weit, wie sie stehen kann. Ich habe versucht, es ihr beizubringen, aber jedes Mal, wenn sie die Füße vom Boden nahm, geriet sie in Panik und ging unter. Nach dem Abendessen, das nur aus dem restlichen Baguette und Brie vom Lunch und einem Pfirsich bestand, liefen Blush und ich runter ins Dorf, um in der Bar eine Cola zu trinken. Es dauerte nicht lange, bis ein paar französische Jungs, die ich von heute Morgen auf dem Floß wieder erkannte, uns über die Tische hinweg lüsterne Blicke zuwarfen. Wir ignorierten sie, aber ein paar Minuten später saßen sie bereits einen Tisch näher, und immer, wenn ich an ihnen vorbeigehen musste, um aufs Klo zu gehen oder mir etwas zu trinken zu holen, gaben sie in knarrendem Englisch einen Kommentar ab. Jedenfalls kamen sie schließlich rüber, und wir taten unser Bestes, um mit einem gemeinsamen Vokabular von etwa fünfzig Worten zu kommunizieren. Der besser Aussehende von beiden, Georges, bot mir eine Fahrt auf seinem Moped an, also sind wir darauf im Dorf rumgesaust und der Hundescheiße ausgewichen, während Blush und der andere, Max, der ein schielendes Auge hat, vor der Bar auf der Mauer saßen und auf uns warteten. Als wir zurückkamen, saßen sie noch genauso da wie vorher, als wir wegfuhren. Danach sagte Blush, dass keiner von ihnen gewusst hätte, was er sagen sollte egal in welcher Sprache - und es sei eine Qual gewesen. »Du hättest doch deinen Subjunctiv an ihm üben können«, sagte ich. Als es Zeit war zu gehen, fiel George regelrecht über mich her und versuchte, mich zu küssen, aber ich murmelte etwas wie, dass ich zu Hause einen Freund hätte, der eifersüchtig wäre. Es war keine komplette Lüge, da ich mich als Nicky auf ewig angetraut sehe, obwohl noch nichts darauf hindeutet, dass er meine Leidenschaft erwidert. Max hat bei Blush nichts probiert»was auch besser so war, denn nach den Blicken zu urteilen, die sie ihm zuwarf, hätte sie ihm wahrscheinlich eine geknallt. Sie hat auf dem Weg zurück nicht viel gesagt. Ich glaube, sie ist sauer.
Mein Ferientagebuch. 10. Tag Merke: Geh nie mehr mit Frances in eine Bar. Schlecht für die Moral.
Gestern Abend nach dem Abendessen sagten wir zu Lexi, wir wollten einen Spaziergang machen, und ihre letzten Worte waren: »Geht nicht in diese Bar im Dorf, sie ist immer voll rowdyhaft aussehender Jungs«, worauf Frances merklich auflebte. Natürlich gingen wir geradewegs in die Bar; suchten uns einen Tisch, und Frances tat das, was mir von der Schulbushaltestelle vertraut i st: Sie redet mit einer Stimme, die ich ihre Bühnenstimme nenne, und behält gleichzeitig den Raum im Auge, um zu sehen, welche Wirkung sie erzielt. Es dauerte nicht lange, bis sie sich für zwei französische Jungs entschied, die an der anderen Seite der Bar saßen und mit sich selbst beschäftigt waren. Nach mehreren Ausflügen zum Klo, wozu gehörte, dass sie sich an ihrem Tisch vorbeiquetschte und eins ihrer Biergläser umwarf, schaffte sie es, ein Gespräch mit ihnen anzufangen. Einer von den beiden war auf unrasierte Art ganz attraktiv. Er war scharf auf Frances. Der andere war weniger attraktiv - ehrlich gesagt sah er ziemlich erschreckend aus, mit einem schielenden Auge, das ständig über meine Schulter blickte, als würde er Jagd auf ein interessanteres Objekt machen. Er war auch scharf auf Frances. Sie war nicht im Geringsten an ihnen interessiert - sie hatte an diesem Nachmittag nur gejammert, dass sie es nicht
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