Seejungfrauen kuesst man nicht
schaffte, Nicky einzufangen.
Am nächsten Tag, dem letzten unseres Aufenthaltes in Menton, tauchten Georges und Max, durch die Zurückweisung keineswegs entmutigt, an dem Strand auf, wo Lexi und Frances sich zum letzten Mal braten ließen. Da es mich vor roten Frieseln und Sonnenbrand am ganzen Körper juckte, hatte ich den einzigen Schattenplatz meilenweit besetzt und lauerte dort wie eine Eidechse in einer Felsspalte. Sie winkten uns fröhlich zu und bahnten sich über die Steine einen Weg zu uns.
George hatte nichts dabei außer einem zusammengerollten Handtuch und einem Walkman, der vorne an seiner Badehose befestigt war; Max hatte einen Plastikfußball für Kinder mitgebracht, den wir uns träge zuspielten, bis sich zwischen uns vieren ein seltsames, mannschaftsloses, sinnloses Volleyballspiel entwickelte. Als wir dort im gleißenden Sonnenlicht standen, praktisch nackt, und den Ball hin und her schlugen, hin und her, hatte ich ein seltsames Gefühl der Verbundenheit mit dem prähistorischen Menschen. Selbst in den primitivsten Gesellschaften mussten die Menschen das Bedürfnis verspürt haben, im Kreis herumzustehen und sich Steine oder gar Schädel zuzuwerfen, nur um sich die Zeit zu vertreiben.
»Frances, geh mir aus der Sonne«, maulte Lexi immer, wenn der Schatten ihrer Tochter auch nur einen Augenblick lang über sie fiel, und schlug gleichzeitig mit einer Ausgabe der Times nach ihr, für die sie fast bis nach Monte Carlo gefahren war.
Als die Hitze unerträglich wurde und der Ausschlag auf meinen Schultern zu kribbeln begann, rannten wir kreischend und nach Luft schnappend ins Wasser. Georges, Frances und Max schwammen sofort mit kräftigen Zügen zum Floß, auf dem bereits mehrere Leute lagen wie Seehunde auf einem Felsen, während ich im Flachwasser dümpelte und das Wasser auf meinem Sonnenbrand genoss- Frances gewann das Wettschwimmen mühelos. Ich sah, wie sie sich aus dem Wasser auf das Floß zog. Sie winkte mir triumphierend zu, bevor eine Hand sich aus dem Meer reckte, ihren Knöchel umfing und sie wieder hineinzog. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ihr Kopf wieder hochschnellte. Ich war schon kurz davor, panisch zu werden, aber da war sie, spritzte Diamanten aus ihrem nassen Haar und lachte.
Auf dem Rückweg zur Villa blieb Frances zurück und gab vor, Sand aus ihren Sandalen zu schütteln, bis Lexi außer Hörweite war. »Sie wollen, dass wir heute Nacht mit ihnen Baden gehen«, sagte sie. »Was denkst du?« Ihre Augen strahlten vor Aufregung. Ich sah, dass sie ihre Entscheidung bereits getroffen hatte.
»Ich kann mir nicht, vorstellen, dass deine Mum da zustimmt.«
»O Gott, ich hatte nicht vor, Mum davon zu erzählen«, antwortete Frances, schockiert über den Vorschlag. »Wir könnten uns einfach rausschleichen. Sie ist dran gewöhnt, weiterzuschlafen, egal wann Dad nach Hause kommt - sie wird nicht aufwachen.«
»Aber wir kennen sie doch kaum - es könnten Verrückte sein.«
»Verrückt sind sie bestimmt, aber ich glaube nicht, dass sie gefährlich sind.«
»Hör zu, ich finde nicht, dass wir gehen sollten. Stell dir vor, deine Mum wacht doch auf - sie wird stinksauer sein. Dir wird sie verzeihen, weil du ihre Tochter bist, aber von mir wird sie nicht sehr viel halten.«
Frances gab zu, dass an diesem Argument was dran war. »Außerdem«, fügte ich hinzu, »ist es für dich okay Georges sieht wenigstens gut aus. Aber Max ist ein furchtbarer, schielender Zwerg. Und selbst er ist nicht scharf auf mich.«
»Das ist nicht sehr nett«, sagte Frances. »Vielleicht ist er ein ganz reizender Mensch.«
»Ja, aber wie sollen wir das je rausfinden, mit seinem Englisch und meinem Französisch?«
»Okay, wir gehen nicht«, sagte sie eingeschnappt, aber einen Augenblick später war sie wieder fröhlich, als hätte sie das ganze Thema bereits vergessen.
Beim Abendessen schöpfte ich bereits Verdacht, als sie vorschlug, den letzten Abend mit Kartenspielen zu verbringen statt noch einmal in die Bar zu gehen; aber erst die Unbekümmertheit, mit der sie vorschlug, früh schlafen zu gehen und die Erregung, mit der sie meine ausgedehnten Vorbereitungen fürs Bett beobachtete, überzeugten mich vollends. Sie hatte vor, ohne mich zu gehen. Verletzt durch diesen Verrat, beschloss ich, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen, indem ich wach blieb. Aber meine Anstrengungen beim Volleyballspiel mussten mich entkräftet haben, denn ich schlief fast sofort ein, und als ich wieder wach wurde,
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