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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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seinen Schichten beim Pizza-Service raste er auf dem Liefermotorrad in die Stadt, um nachzusehen, ob ein orangefarbener Aufkleber erschienen war, und kam jedes Mal ein wenig niedergeschlagener zurück.
    »Es macht mir ja nichts aus, dass es dort hängt wie die einzige alte Jungfer auf einer Hochzeit«, sagte er ein paar Tage, bevor die Ausstellung schloss. »Es kommt mir nur wie eine Beleidigung für Lexi vor.«
    Sein Modell und seine Muse blinzelte überrascht. »Da kannst du ganz beruhigt sein, das versichere ich dir«, sagte sie.
    »Vielleicht ist es zu teuer - du könntest es um ein paar Mäuse runtersetzen«, schlug Frances vor.
    Mr. Radley wehrte entrüstet ab. »Das ist doch kein Körbchen mit matschigen Himbeeren, mein Gott.«
    Seine Würde wurde am nächsten Tag wieder hergestellt, als er einen Anruf von der Galerie bekam, dass das Gemälde verkauft wäre. »Ich habe mir schon gedacht, dass es für den Preis weggehen würde«, sagte er rot vor Freude. »Ich frage mich, ob sie den Namen des Käufers haben. Ich könnte fragen, ob er noch ein paar andere Sachen von mir will.«
    »O nein«, sagte Lexi schnell. »Ich glaube, diese Transaktionen gehen normalerweise anonym vonstatten.«

26
    Ungefähr um diese Zeit zahlte sich Frances‘ hartnäckige Verehrung für Nicky endlich aus. Ob Rads Abreise ein ungünstiges Hindernis aus dem Weg geräumt hatte, oder ob Jahre der Bewunderung Nicky schließlich zermürbt hatten, erfuhr ich nie. Aber sogar nachdem Rad seine Philosophiebücher und seine löchrigen Pullover eingepackt hatte und nach Norden gegangen war, besuchte Nicky die Radleys weiterhin regelmäßig: Er studierte am King‘s College Zahnheilkunde und hatte es deshalb nicht weit. Das passierte zur selben Zeit, als ich etwas weniger Zeit dort verbrachte. Samstagvormittags spielte ich Cello im Jugendorchester, und normalerweise wurde es Nachmittag, bevor ich zu Frances stieß und das Wochenende richtig anfangen konnte.
    An einem frostigen Novembernachmittag kam ich mit meiner Reisetasche dorthin und traf niemanden an. Im Nachbargarten war Fish gerade dabei, welke Blätter zu Haufen zusammenzuharken und sie dann mit schwarzem Plastik und Backsteinen zu verschalken. »Ich glaube, sie sind alle weg«, sagte er fröhlich. Ich klingelte und klopfte mehrmals und spähte durchs Wohnzimmerfenster, aber ich scheuchte niemanden auf außer Growth, der auf der Chaiselongue geschlafen hatte. Auntie Mim war ganz bestimmt da, denn in ihrem Zimmer brannte Licht, aber sie öffnete prinzipiell nicht die Tür. Während ich zitternd dastand und überlegte, was ich tun sollte, hörte das blecherne Klappern auf, und Fish erschien an der Grenzhecke, die auf seiner Seite genau bis zur Hälfte rechtwinklig geschnitten war und sich auf der Seite der Radleys blähte wie das Hinterteil eines Zwergpudels. »Willst du ins Warme kommen und einen Tee trinken, während du wartest?«, fragte er, den Kopf auf die Seite gelegt, um schüchtern zu wirken. »Es kann noch ewig dauern.«
    Ich suchte nach einer Entschuldigung. Obwohl er Frances inzwischen nicht mehr anbot, den Schlauch anzustellen und sie »richtig vollzuspritzen«, wenn die Sonne schien, hatte ich das Bild irgendwie immer noch vor mir, und ich fand die Aussicht, allein mit ihm zu sein, wenig verlockend. Ich hatte vorgehabt, in den hinteren Garten zu gehen und im Schuppen zu warten, bis jemand aufkreuzte, aber das konnte ich Fish kaum als meine bevorzugte Alternative anbieten. Lawrences Ankunft in seinem Jaguar rettete mich. »Ah, na also«, sagte Fish und schaffte es nicht, die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen; er wandte mir den Rücken zu und scharrte weiter mit seiner Harke auf dem Rasen.
    Lawrence ließ uns mit seinem Schlüssel ins Haus, schaltete Lichter ein und drehte Heizkörper höher, als würde er dort wohnen, »Mach es dir gemütlich«, sagte er, fegte Zeitungen und Hundespielzeug von der Couch und ließ sich mit den Füßen auf dem Couchtisch nieder, um sich den Grand Prix anzusehen. Ich schlenderte in die Küche und fing an aufzuräumen. In der Spüle stand in sechs Zentimeter hohem schmierigem Wasser ein Turm aus Kochtöpfen und Geschirr. Die Ofentür stand offen, und ich sah sich kräuselnde Lasagnereste in einer Folienschale. Jede Arbeitsplatte schien mit deckellosen Gläsern übersät zu sein: Marmelade, Piccalilli, Erdnussbutter, gefüllte Oliven. Gott weiß, was sie zum Lunch gegessen hatten. Der Mülleimer war voll, und anstatt ihn zu leeren, hatte

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