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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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viele Krümel, dass der Kellner mit seinem Tischkehrgerät der Aufgabe, wieder Ordnung zu schaffen, nicht gewachsen war und sich geschlagen zurückziehen musste. Mr. Radley dankte ihm überschwänglich für seine Bemühungen. Er katzbuckelte immer vor Kellnern, vielleicht in der Hoffnung auf größere Portionen oder bessere Behandlung. Lexi dagegen behandelte Personal aller Art, als wäre es unsichtbar - es sei denn, sie beschwerte sich über etwas, dann wurde sie umwerfend höflich.
    »Du musst dir also zehn Fragen ausdenken, die dir bei der Entscheidung helfen würden, wen du heiraten sollst«, sagte Frances gerade. »Meine erste wäre: ›Mögen Sie Hunde?‹ Blushs war: ›Wer ist der größte Komponist?‹ und deine wäre vielleicht so was wie: ›Wer ist der größte Philosoph?^
    »Aber ich will gar nicht heiraten«, protestierte Rad.
    »Nein«, sagte Frances geduldig. »Du musst dir nur Fragen vorstellen, die dir dabei helfen würden, deinen Idealpartner zu finden.«
    »Ich glaube nicht an das Konzept eines Idealpartners. Das ist nur ein romantischer Mythos.«
    »Es ist bloß ein Spiel, Rad«, sagte Frances. »Kannst du nicht einfach mitspielen?«
    »Du meinst, meine Intelligenz ausschalten?«, fragte Rad.
    Mr. Radley verschluckte sich an seinem Wein. »So aufgeblasen?«, prustete er und wischte sich die Augen. »Glaubst du, das ist ein Charakterzug der Radleys, oder kommt das von deiner Seite?«, fragte er Lexi. »Egal«, fuhr er fort und drohte Rad mit dem Finger. »Ich sehe keinen Grund, wieso du die Ehe so negativ siehst, mit uns als Beispiel vor Augen.« Er legte den Arm um Lexis Schultern und drückte sie kumpelhaft, worauf sie ihn gereizt abschüttelte.
    »Wenn Nicky nicht bald Notiz von mir nimmt«, sagte Frances, die nicht bemerkte, wie sich die Atmosphäre am Tisch verschlechterte, »gebe ich es auf und heirate des Geldes wegen.«
    »Du könntest es schlechter treffen«, sagte Lexi. »Immerhin bemerkt eins von drei Paaren, die aus Liebe heiraten, seinen Fehler irgendwann.«
    »Du machst es ihm zu leicht, Frances«, sagte ihr Vater. »Jeder mag Schokolade, aber man will nicht mit ganzen Schachteln von dem Zeug voll gestopft werden.«
    »Ich schon«, sagte Frances. »Ich träume manchmal davon.«
    »Das ist ein weiterer Punkt - du isst zu viel Schokolade. Nicky mag vielleicht lieber dünne Mädchen wie Blush, hast du schon mal daran gedacht?«
    Frances und ich waren jeweils entrüstet und beschämt. Lexi, Verfechterin der weiblichen Formen in all ihrer Vielfalt, legte los: »Eine solche Bemerkung ist äußerst ungehörig«, sagte sie, als würde sie einen frechen Schuljungen rüffeln.
    »Ich wollte niemanden beleidigen«, sagte Mr. Radley gekränkt. »Viele Männer mögen Mädchen mit ein bisschen Fleisch dran. Ich habe nur gesagt, dass es bei Nicky vielleicht nicht so ist.«
    Die Mahlzeit wurde in unbehaglichem Schweigen fortgesetzt, gelegentlich unterbrochen von einer unbekümmerten Bemerkung Mr. Radleys. Seine Versuche, die Konversation wieder aufzunehmen, stießen bei den anderen am Tisch auf tödliche Stille. Ich hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte mich aufs Essen, soweit mein verringerter Appetit es zuließ: Meine Eltern taten so etwas nicht. Höflichkeit war alles für sie.
    Als der Dessertwagen anrollte, suchte Frances sich den gehaltvollsten, cremigsten Pudding aus, eine Geste, deren Aufsässigkeit leicht übersehen werden konnte. Lexi und ich schlossen uns ohne Rücksicht auf unsere Figur an. Mr. Radley schmachtete über seinem zusätzlichen Gang Käse. Er trank die zweite Weinflasche bis zum letzten Tropfen aus und dann, als er mein immer noch volles Glas sah, nahm er es und sagte: »Du trinkst das doch nicht mehr, oder?«, und kippte es in seins.
    »Ich glaube, wir sollten früh zu Bett gehen, denn wir haben morgen eine weite Fahrt vor uns«, sagte Lexi bestimmt, als die letzten Teller abgeräumt wurden und um Mr. Radleys Teller herum ein Muster aus Krümeln zum Vorschein kam.
    »Gute Idee«, sagte er. »Geh du schon mal hoch. Ich glaube, ich nehme noch schnell ein Digestif in einer dieser Bars am Platz.« Lexis Wut ignorierend schlenderte er fröhlich summend hinaus in die Dunkelheit.
    Um Mitternacht wachte ich von einem Klopfen an der Tür auf. Sie öffnete sich einen Spalt, warf einen Lichtstreifen auf mein Gesicht, und Lexis Stimme flüsterte: »Rad, kannst du mal kommen? Ich brauche Hilfe.« Ich wartete, bis er sich hinausgeschlichen hatte, und ging ihm heimlich nach. Am Ende des

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