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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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fünftes Rad am Wagen so offen ausgesprochen wurde.
    »Tja, jetzt hat er Interesse, das kannst du mir glauben«, sagte Lawrence. »Soll ich dich jetzt nach Hause fahren, oder wollen wir uns etwas mitnehmen und bei mir essen?«
    »Sie brauchen mich nicht einzuladen«, sagte ich, schaffte es aber nicht, den Märtyrerton in meiner Stimme zu unterdrücken. »Nach Hause ist okay.«
    Lawrence sah mich mitleidig an und fuhr ins nächste chinesische Restaurant.
    »Wenn Frances und Nicky wirklich ein Paar werden«, sagte Lawrence später, während er mit der Gabel Nudeln auf meinen Teller schaufelte, »dann können sie mit dir und Rad ein Quartett bilden.« Ich blickte misstrauisch auf und sah seinen viel sagenden Blick.
    »Das halte ich nicht für sehr wahrscheinlich«, sagte ich so neutral wie möglich. Wir knieten in seinem Haus in Dulwich auf beiden Seiten des Couchtisches. Das Wohnzimmer befand sich in der ersten Etage - ein Arrangement, das mir hochkultiviert erschien. Der Tisch war von dampfenden Aluschüsseln und- deckeln übersät. Lawrence hatte viel zu viel bestellt; noch bevor der Abend vorbei war, würden wir wegen seiner Großzügigkeit eine Magenverstimmung haben. »Rad interessiert sich nicht so richtig für Mädchen - oder Jungs«, fügte ich hinzu, während meine Kiefer mechanisch ein übel zugerichtetes Stück Schweinefleisch bearbeiteten. Ich hatte schon lange keinen Hunger mehr, traute mich aber nicht, es angesichts solch wunderbarer Reste zuzugeben.
    »Es scheint wirklich so zu sein«, stimmte Lawrence zu und kippte eine Schale Riesengarnelen auf seinen Teller.
    »Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Rad schon aufgefallen ist, dass ich existiere«, sagte ich.
    »Ach. Nur Geduld.« Er spießte eine Garnele auf. »Damit kenn ich mich aus.« Als er mein verständnisloses Lächeln sah, wechselte er schnell das Thema und fing an, mich über mein Cellospielen auszuquetschen - welche Stufe ich schon erreicht hätte; wie oft ich übte; wer meine Lieblingskomponisten wären, bis nebenan im Arbeitszimmer das Telefon klingelte und er mich allein ließ.
    »Hallo ... Entschuldige ... Du warst nicht zu sehen, und Abigail brauchte jemanden, der sie rettet ... Nein, wir haben schon gegessen ... In Ordnung. Ich muss Abigail erst zu Hause absetzen ...« Ich konnte Lawrences Stimme durch die Wand hören, und da es mir unangenehm war, mitanzuhören, wie über mich diskutiert wurde, ergriff ich die Gelegenheit, um aufs Klo zu gehen. »Unten rechts«, rief Lawrence mit der Hand über dem Hörer, als ich an der Tür zum Arbeitszimmer vorbeikam.
    Der erste Raum rechts erwies sich als Esszimmer; die zweite Tür sah viel versprechender aus, aber als ich nach dem Lichtschalter tastete, verlor ich das Gleichgewicht und stolperte gegen etwas, das gegen die Wand gelehnt war. Es fiel krachend auf mein Schienbein, und ich stieß einen Schrei aus, der Lawrence die Treppe herunterspringen ließ. Er schaltete das Licht an - ich stand in einem großzügigen Besenschrank. Mein Bein hatte eine tiefe, zentimeterlange Schürfwunde, die erst nach etwa zwei Stunden zu bluten anfangen sollte. Zu meinen Füßen lag eine Verpackungskiste aus Sperrholz, wie man sie benutzte, um Gemälde zu transportieren. Sie war ungefähr einsachtzig mal einszwanzig und trug ein Etikett von der Galerie in Bloomsbury, wo Lazarus Ohene seinen jüngsten Triumph gefeiert hatte. Lawrence hob sie auf und lächelte verlegen, als er mein Gesicht sah. »Ich wäre dankbar, wenn du das niemandem gegenüber erwähnen würdest«, sagte er.
    »Weiß denn keiner, dass Sie es waren?«
    »Lexi natürlich. Es war ihre Idee - um Michaels Moral zu heben. Und sicherzugehen, dass das Bild nicht zurückkäme und an der Wand landen würde. Deshalb darf er es auf keinen Fall erfahren. Ich will das verdammte Ding schon dauernd loswerden - es irgendjemandem schenken, aber mir fällt niemand ein, den ich so wenig mag. Wahrscheinlich gebe ich es an einen Ramschladen oder mach‘s wie Clementine Churchill - schneid es in Stücke und verbrenn es. Aber verrat mich nicht.«
    Ganz plötzlich war ich zum Geheimnisträger geworden. Nachdem Lawrence mir ein Versprechen abgenommen hatte, bot er an, mich nach Hause zu fahren. Ich kam mir bei der Aussicht, das Geheimnis zu wahren, ein bisschen betrogen vor. Schließlich hatte ich das Täuschungsmanöver allein aufgedeckt - hatte sogar eine Wunde als Beweis und wenn er nicht zufällig den Krach gehört hätte, hätte ich mit meiner Entdeckung nach

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