Seejungfrauen kuesst man nicht
der Hand hielt. Ihr Gesicht wurde lang.
»Danke«, sagte sie ein Sekunde zu spät.
»Gefällt er dir nicht?«, fragte Nicky.
»Do-och«, sagte Frances nicht sehr überzeugend.
Nicky sah niedergeschlagen aus. »Ich dachte, Mädchen mögen so was. Niedliche Plüschtiere. Die Läden sind voll davon.«
»Das ist der Sinn der Sache«, sagte Frances. »Außerdem habe ich nicht gesagt, dass er mir nicht gefällt. Mir würde alles gefallen, was ich von dir bekäme.« Und dann der Todesstoß. »Hast du die Quittung aufgehoben?«
»Was ist denn falsch daran?« Er appellierte an mich und Rad.
Wir standen um den Bären herum und betrachteten ihn kritisch.
»Tja ...«, fing Rad an, der darum kämpfte, Ehrlichkeit mit Takt zu vereinen. »In Sachen guter Geschmack lässt er etwas zu wünschen übrig.«
»O Gott, ich habe wirklich Mist gebaut, was?«, sagte Nicky. »Ich wusste, ich hätte Blumen kaufen sollen.«
»Ach, so schlimm ist er auch wieder nicht«, sagte Frances und drückte den Bären versöhnlich an sich, was irgendwo tief im Fell einen Schalter aktiviert haben musste, denn er gab ein elektronisches Quieken von sich, das auf eine gequälte Kreatur schließen ließ.
»Nein, du hast Recht, er ist totale Scheiße«, sagte Nicky entschlossen, und bevor einer von uns reagieren konnte, schnappte er sich den Bären und warf ihn über die Brüstung.
»O Nicky!« Frances stieß einen Schrei aus, der einer Mutter, deren Baby gerade in die Themse gefallen war, würdig gewesen wäre. »Wieso hast du das getan? So sehr habe ich ihn doch gar nicht gehasst. Armes kleines Ding.« Und sie brach in Tränen aus. Er sah wirklich ziemlich einsam und verlassen aus, wie er auf dem Rücken im öligen Fluss davontrieb.
»Ich hole ihn dir zurück, wenn du ihn willst«, sagte Nicky heldenhaft und kämpfte sich aus seiner Jacke. »Passt darauf auf«, fügte er hinzu, wodurch er den Effekt ziemlich ruinierte.
»Sei doch nicht ...«
»Du willst doch nicht ...«, sagten Rad und ich gleichzeitig.
»Ich komm schon klar.« Und er schwang die Beine über die Brüstung.
»Um Himmels willen«, sagte Rad.
»Frances, halt ihn zurück«, sagte ich. Aber sie zögerte, und in dieser Sekunde sprang Nicky.
Wir sahen entsetzt, wie er ins Wasser stürzte, mit leicht um sich tretenden Beinen, als würde er es schon bereuen. Er verschwand unter der Oberfläche, als würde er in die Tiefe gezogen, und alles schien stillzustehen - der Verkehr auf der Brücke, die Schiffe auf dem Fluss, die Leute auf der Uferstraße unter uns, so als würde die Zeit den Atem anhalten, und dann, vielleicht vier Sekunden später, tauchte Nicky etwa zwanzig Meter von dem Punkt entfernt wieder auf, an dem er hineingefallen war, und kämpfte vergeblich gegen die einlaufende Flut, die ihn flussaufwärts und in die Mitte des Flusses zog. Der Teddybär war inzwischen schon auf dem Weg zur Westminster Bridge und so gut wie unerreichbar.
»O Gott, er wird ertrinken. Rad, du musst ihm nachspringen«, sagte Frances hysterisch. Rad rührte sich nicht.
»Nein, muss ich nicht«, sagte er. »Schau.« Unter uns kam tuckernd eine Polizeibarkasse in Sicht. Sie machte einen Bogen auf Nicky zu, wobei das Kielwasser einen milchigen Kreis um ihn zeichnete. Die Strömung war so stark, dass Nicky jedes Mal, wenn das Boot versuchte, seitlich an ihn heranzukommen, weiter außer Reichweite getrieben wurde. Inzwischen hatte sich auf der Brücke eine kleine Gruppe Zuschauer zu uns gesellt, in der Hoffnung, Zeuge eines erfolgreichen Selbstmordversuchs zu werden. Jedes Mal, wenn es der Barkasse nicht gelang, ihn herauszuziehen, ging vor Angst - oder war es vor Aufregung? - ein Murmeln durch die Menschenmenge. Die Barkasse brauchte mehrere Runden, bis einer der Bootsführer nahe genug herankam, um Nicky einen Rettungsring mit Leine zuzuwerfen, und ihn endlich an Bord ziehen konnte. Mit hochgezogenen Schultern und patschnass stand er am Bug des Bootes, als es unter der Westminster Bridge verschwand.
»Wenn er ertrunken wäre, wärst du schuld gewesen, Frances«, sagte Rad streng.
»Was meinst du damit?«, sagte sie, vor Schuldgefühlen und Ärger rot im Gesicht.
»Du hättest ihn davon abhalten können, aber du hast es nicht getan.«
»Du hättest ja hinter ihm herspringen können, aber du hast es nicht getan.« Sie standen sich gegenüber und starrten sich wütend an. Das war das erste Mal, dass ich sie je bei einer Auseinandersetzung gesehen hatte. Die paar Zuschauer, durch die Effizienz der
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