Seekers 03: Auf dem Rauchberg
mit den Tatzen nacheinander. Er schien schwerer geworden zu sein, aber sie, Lusa, war ja auch gewachsen. Sie duckte sich unter einem seiner Tatzenschwinger, schlüpfte hinter ihn und schleuderte ihn auf den Rücken.
»Ha!« Sie warf sich triumphierend auf ihn. »Sieger!«
»Das war unfair!«, rief Yogi. »Du kämpfst mit Wildbärentricks.«
»Ich bin ja jetzt auch eine Wildbärin«, erwiderte sie.
»Das bist du tatsächlich«, stellte Stella bewundernd fest und drückte Lusa ihre Nase in die Seite. »Du riechst sogar wie eine Wildbärin.«
»Ehrlich?«, fragte Lusa. Es war ihr nicht bewusst, dass ihr Geruch sich auch verändert hatte.
»Und wiegen tust du so viel wie vier Wildbären«, beklagte sich Yogi, während er sich unter ihr hervorwand. Lusa ließ ihn frei und stupste ihn spielerisch an.
»Ach, meine Kleine.« Ashia lief herbei und grub ihre Nase in Lusas Fell. »Du fehlst uns so sehr.«
»Ihr fehlt mir auch.« Lusa schmiegte sich eng an ihre Mutter. »Die Wildnis ist so groß. Ihr könnt es euch nicht vorstellen.«
»Ich weiß, wie groß sie ist«, knurrte King, Lusas Vater. Er war in der Wildnis geboren worden. Während er um Lusa und Ashia herumtrottete, schnupperte er argwöhnisch. Ashia achtete nicht auf ihn und leckte Lusas Ohren.
»Du bist so dünn«, meinte sie besorgt. »Hast du genug zu fressen?«
»Eigentlich nicht«, gestand Lusa. »Aber ich habe ganz wunderbare Freunde gefunden. Yogi, stell dir vor: Ich ziehe mit Grizzlys durch die Gegend!«
Ihr Bruder blickte sie entsetzt an. »Braunbären? Und die haben dich noch nicht aufgefressen?«
»Nein, sie mögen mich!«, entgegnete Lusa. »Und so schlimm sind sie auch gar nicht. Na ja, so gut wie wir riechen sie nicht.« Sie kuschelte sich an ihre Mutter und atmete den warmen Duft nach Honig, Beeren und Milch ein. »Und wisst ihr was? Meine beste Freundin ist eine Eisbärin! Und sie ist nicht annähernd so griesgrämig wie die Eisbären im Bärengehege. Ich mag sie sehr. Wir wandern gemeinsam in die Letzte Große Wildnis.«
Plötzlich hielt Lusa inne. Die Bären um sie herum schienen zu gefrieren und sogar der Wind erstarb. Blinzelnd sah sie in die ihr zugewandten Gesichter.
»Nur … ich werde es nicht schaffen«, flüsterte sie. Jetzt wusste sie, was vorging. Sie war in Wirklichkeit gar nicht im Bärengehege.
Sie lag im Sterben.
Es herrschte Schweigen, während die anderen Bären sie anstarrten. Schließlich schüttelte King seinen ergrauenden Pelz. »Doch, du musst es schaffen«, sagte er ernst. »Ich will nicht, dass es nachher in den Legenden heißt, ein Braunbär und ein Eisbär seien zu dem Ort gelangt, wo die Seelen tanzen, aber der Schwarzbär hätte unterwegs aufgegeben!«
»Legenden?«, wiederholte Lusa.
»Stella erzählt jetzt schon die ganze Zeit Geschichten, die von dir handeln«, warf Yogi ein.
Die Bärin nickte. »Du bist viel interessanter als meine Geschichte vom alten Bären im Baum«, erklärte sie. »Ich kann nicht glauben, dass du wirklich hier rausgekommen bist. King dachte, du wärst tot.«
»Aber ich wusste, dass das nicht wahr ist«, sagte Ashia und schnäuzelte Lusa.
»Tut mir leid, Mutter«, antwortete Lusa leise. »Ich glaube, jetzt ist es doch wahr.« Sie holte tief Luft, atmete den Duft der Blätter ein und spürte, wie der Wind durch ihr Fell strich. »Bald werde ich zu den Seelen in den Bäumen gehen.« Sie bemühte sich, tapfer zu klingen. »Ich muss wohl hier sein, um mich von euch zu verabschieden.« Sie hoffte, ihr Baum würde ein großer und schöner sein, vielleicht sogar mit Blüten, so wie der, den sie gesehen hatte, als sie ganz neu in der Wildnis war.
King knurrte, doch es war Ashia, die das Wort ergriff.
»Nein, meine Kleine«, meinte sie zärtlich. »Deine Zeit ist noch nicht gekommen.«
Das Bild vor Lusas Augen verschwamm. Sie versuchte, es festzuhalten. »Wie meinst du das?«, fragte sie. »Die Braunbären rufen mich.«
»Hör nicht auf sie!«, platzte es aus Yogi heraus. »Geh nicht zu ihnen, Lusa! Sag ihnen, du seist noch nicht so weit.«
»Da ist noch etwas Wichtiges, das du zu tun hast«, erklärte Ashia feierlich.
»Ich?«, fragte Lusa verwundert. »Was denn?«
»Du musst die Wildnis retten.«
Lusa starrte ihre Mutter an, dann die anderen Bären. Sie beobachteten sie aufmerksam, als wüssten sie alle genau, was Ashia meinte.
»Ich verstehe nicht«, stammelte Lusa. »Die Wildnis retten? Wovor? Ich suche doch bloß nach einem Ort, wo ich in Frieden mit meinen Freunden leben
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