Seekers 03: Auf dem Rauchberg
krank wurden. Wie soll ich bloß die Wildnis retten?, fragte sie sich. Sie war nicht einmal in der Lage, vor Flachgesichtern wegzulaufen, ohne verletzt zu werden. Was um alles in der Welt konnte eine kleine Bärin wie sie schon ausrichten?
14. KAPITEL
Toklo
Am nächsten Morgen lag Toklo neben Lusa und beobachtete sie, als sie die Augen aufschlug.
»Schau mich nicht so böse an, du alter Griesgram«, brummte sie.
»Ich schau gar nicht böse«, schnaubte er.
»Ah, mein Fehler«, frozzelte Lusa. »So siehst du ja immer aus.«
»Allerdings«, grummelte er. »Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht doch noch stirbst.«
»Keine Sorge«, erwiderte Lusa und biss die Zähne zusammen, während sie sich mühsam aufrappelte. »Pech für euch. Sieht so aus, als hättet ihr mir das Leben gerettet.«
Toklo setzte sich ebenfalls auf. »Das ist kein Pech«, murmelte er.
»Oh, gut«, meinte Lusa spitz. »Freut mich, wenn es dir nichts ausmacht, dass ich noch lebe.« Er sah sie verwirrt an und sie riss das Maul weit auf vor Vergnügen. »Ich mach doch nur Spaß, Toklo!« Sie rutschte ein bisschen näher zu ihm. »Ich bin einfach … ich meine, ich bin dankbar, dass ihr nicht ohne mich weitergezogen seid. Das war bestimmt nicht leicht für euch, hier zu warten.«
»Wir hätten dich doch nicht zurücklassen können«, meinte Toklo entrüstet. Stumm schauten sich die beiden Bären in die Augen. Sie hatten sich einander noch nie so nah gefühlt.
Als Kallik mit einem erlegten Eichhörnchen von der Jagd zurückkehrte, teilte Lusa es sich mit Toklo. Und in der Nacht kuschelte sie sich, bevor sie einschlief, so dicht an ihn heran, dass ihre Pelze sich berührten.
Zum ersten Mal seit fast einem Mond spürte Toklo, wie sein Fell sich glättete. Er ließ die Erleichterung über Lusas Rettung Oberhand über seine Sorgen gewinnen und fiel in einen friedlichen, traumlosen Schlaf.
Der Regen ging in ein sanftes Nieseln über, während Toklo und Kallik, dem Bach folgend, von der Höhle aus weiter aufwärts in die Berge stiegen. Toklo hoffte, dass sie auf mehr Gebüsch oder gar Bäume stoßen würden – auf was auch immer, solange es nur Lebensraum für Beutetiere war. Weiter unten hatte er keine wittern können, vielleicht waren sie von den Flachgesichtern vertrieben worden.
Noch immer sorgte er sich um Lusa. In der ersten Nacht in der Höhle hatte er sich ruhelos im Schlaf gewälzt, heimgesucht von wirren Träumen, in denen abwechselnd Lusa und Tobi starben und ihre Seelen den Fluss hinuntergespült wurden. Da er nicht glauben konnte, dass sie durchkommen würde, hatte er am nächsten Morgen einen dicken Panzer der Gleichgültigkeit angelegt, um sich gegen den Verlust zu wappnen. Doch jetzt war sie wieder bei ihnen, und ihm wurde klar, dass es ihm alles andere als gleichgültig war.
Kallik war still, während sie über das nasse Gras trottete. Sie vermieden es, über die grauen Rauchfahnen zu sprechen, die von den Felsen aufstiegen. Als sie einen kleinen Wasserlauf entdeckten, der von dem Bach abzweigte, atmete Toklo tief ein im Versuch, Beutetiere zu wittern. Obwohl der Rauchgeruch sich über alles legte, glaubte er einen Hauch von feuchtem Fell wahrzunehmen.
»Lass uns dem kleinen Bach folgen«, schlug er vor. Er führte sie über eine unwirtliche, steinige Ebene und verschwand dann zwischen zwei hohen Felswänden.
»Toklo, glaubst du, dass wir den riesigen Krallenlosen sehen werden?«, fragte Kallik ängstlich.
Toklo schnaubte. »Ein Flachgesicht so groß wie sieben Bäume?«, fragte er.
»Immerhin hatte Qopuk recht, was den Rauch betrifft.« Kallik spähte zum nebelverhangenen Berggipfel hinauf. »Weißt du noch? Er meinte, der Rauch käme von dem Feuer, das der Krallenlose für die toten Bären macht, und es würde bedeuten, dass der Krallenlose auf der Jagd ist. Was ist, wenn Qopuk recht hatte? Wenn auf diesen Bergen wirklich das Böse haust?«
Toklo blickte nach oben. Der Regen hatte aufgehört, doch die dunkelgrauen Wolken wollten nicht weichen und versperrten den Blick auf die Sonne.
»Ich habe keine Lust, mich von irgendwelchen Geschichten einschüchtern zu lassen«, knurrte er. »Wir werden den Gefahren, die hier lauern, genauso ins Auge schauen wie allen anderen, denen wir bislang begegnet sind.«
Seine Nase zuckte. Er nahm Brandgeruch wahr, aber es war nirgendwo Feuer zu sehen. Als seine Augen mehr und mehr tränten, bemerkte er, dass der Rauch dichter wurde, als sie in die Schlucht zwischen den Felswänden
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