Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
Sicherheit gab, doch die Nacht war wolkenverhangen.
Irgendwann fiel sie in einen unruhigen Schlaf. Am Morgen wurde sie vom Regen geweckt, der auf das sumpfige Land klatschte. Sie kroch aus dem dürftigen Unterschlupf und schüttelte sich das Wasser aus dem Pelz. Vor ihr erstreckte sich der Fluss als silbrig graue Fläche, in der sich der bedeckte Himmel spiegelte. Regentropfen platschten aufs Wasser. Das andere Ufer war durch den Regen kaum zu erkennen.
Hinter sich hörte sie am Brummen und Rascheln, dass Toklo und Ujurak aufwachten. Der größere Grizzly trottete wortlos an ihr vorbei zum Fluss. Ujurak folgte ihm.
»Wenn wir schwimmen müssen, werden wir auch nicht viel nasser«, grummelte Lusa.
Toklos Ohren zuckten. »Ich werde nicht schwimmen. Wie oft muss ich das noch sagen?«
Ujurak fand einen Pfad, der durch das Schilfrohr zum Fluss führte, wo sie trinken konnten. Das Wasser strömte tief und still an ihnen vorüber, während die Regentropfen auf der Oberfläche hüpften. Lusa unterdrückte die Furcht, die sie beim Anblick des nebelverhangenen Nichts erfasste.
Ein lautes Kreischen von oben riss sie aus ihren Gedanken. Als sie aufblickte, sah sie eine Schar Gänse herabschweben. Mit lautem Geschrei und Gekreisch landeten sie nur wenige Bärenlängen flussabwärts im Gras.
»Glaubt ihr, wir könnten eine fangen?«, fragte Lusa mit leuchtenden Augen.
Ehe einer der anderen antworten konnte, kam Bewegung in die Gänse. Vielleicht haben sie mich gehört, dachte Lusa. Die Schar erhob sich wieder, und Lusa sah sie am Himmel kreisen, ehe sie stromabwärts im Nebel verschwand.
»Schade, weg sind sie«, sagte Lusa enttäuscht und drehte sich um, weil sie wissen wollte, ob Ujurak die Gänse auch beobachtet hatte.
Doch der junge Braunbär war verschwunden. Hektisch suchte Lusa flussaufwärts und flussabwärts, sah jedoch nur Toklo, der gerade die Schnauze aus dem Wasser hob und die Wassertropfen abschüttelte.
Lusa lief zu ihm hin. »Ujurak ist weg! Gerade hat er noch neben mir gestanden.«
Toklo antwortete nicht. Er blickte nur stromabwärts in die Richtung, in der die Gänse verschwunden waren.
Lusas Magen verkrampfte sich. »Er hat sich verwandelt, nicht wahr? Er fliegt mit den Gänsen davon.«
Toklo nickte, setzte sich dann auf sein Hinterteil und begann, sich ein paar Gräser aus dem Fell zu zupfen. Lusa sah ihm einen Moment zu. Es kam ihr merkwürdig vor, dass Toklo das Verschwinden ihres Gefährten offenbar nicht weiter beunruhigte. »Was ist, wenn Ujurak nicht zurückkommt?«, fragte sie.
Der Grizzly blickte auf. »Keine Sorge, er kommt schon zurück.«
»Und was, wenn nicht? Was machen wir dann? Wir können die Zeichen nicht ohne ihn lesen.«
Toklo antwortete nicht, sondern zupfte nur an einer besonders verfilzten Stelle in seinem Fell herum.
Lusa wagte nicht weiterzufragen. Ujurak musste einfach wiederkommen! Er war der Einzige, der den Weg kannte. Er würde sie nicht verlassen. Trotzdem kreisten ihre Gedanken ständig darum, wie es die Suche nach dem Ort, an dem die Bärenseelen tanzten, vereinfachen würde, wenn man in Gestalt eines Vogels am Himmel flog, statt als Bär über Land zu ziehen.
Als Toklo mit der Fellpflege fertig war, sah er auf und sagte: »Ujurak wird zurückkommen.« Seine Stimme war voller Zuversicht. »Ich weiß es. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen.«
Lusa war überrascht. Obwohl Toklo Ujurak nicht viel länger kannte als sie, hatte er offenbar großes Vertrauen in den jüngeren Bären. Lusa vertraute er zwar nicht, aber es war doch ein Zeichen dafür, dass Toklo andere Bären durchaus nicht so verachtete, wie er vorgab.
Sie nickte. »Dann warten wir.«
»Du musst nicht«, sagte Toklo, einen ungewohnt freundlichen Unterton in der Stimme. Lusa hörte die Worte, die er nicht ausgesprochen hatte. Ich schon.
Er braucht Ujurak! Die Einsicht brach über Lusa herein wie die aufgehende Sonne, die die Dunkelheit der Nacht vertrieb. Mitleid für Toklo erfüllte sie. Er hatte soeben bewiesen, dass kein Bär allein leben konnte. Nicht einmal Oka. Ihre Entscheidung, ihr Junges zu verlassen, hatte sie in den Wahnsinn getrieben.
Zumindest war sie nicht allein, als die Flachgesichter sie holten . Oka war in jener langen Nacht froh um Lusas Gesellschaft gewesen.
Lusa rupfte ein paar Gräser ab, die am Flussufer wuchsen, und kaute darauf herum. Die feuchten Halme erfrischten sie. Kurz darauf trottete Toklo noch einmal zum Trinken ans Ufer, wenige Bärenlängen flussabwärts.
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