Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
hier schaffen doch nichts heran, dass man richtig satt wird. Alles, was die können, ist, die Sonne anzuflehen, dass sie verschwindet.«
»Im Wald, drüben auf der anderen Seeseite, gibt es bestimmt genug zu fressen«, knurrte Salik. »Beute, die man fangen kann, Wurzeln und gute Beeren. Den Bären da drüben geht es sicher viel besser als uns.«
»Genau«, stimmte Manik ihm zu. »Es ist nicht fair, dass wir hier festsitzen, während die sich im Wald den Bauch vollschlagen.«
»Genau meine Meinung.« Salik, der offenbar der Anführer der Gruppe war, beugte sich nach vorn, die Augen zu Schlitzen verengt. »Es ist nicht fair und deshalb müssen wir etwas unternehmen. Wir könnten ihre Höhlen überfallen und sie vertreiben! Dann können wir fressen, so viel wir wollen!«
Kallik hörte entsetzt zu. Sie wollten fremde Bären angreifen? Ihnen die Nahrung stehlen? Taqqiq konnte doch bei so etwas nicht mitmachen? Da hörte Kallik Schritte durch das Dickicht kommen. Dann sah sie einen ausgewachsenen Bären, der auf Taqqiq und die anderen zuging.
»Was habe ich da gehört?«, fragte er streng. »Den Wald überfallen? Ihr habt wohl nichts als Robbenfett im Hirn, was?«
»Hau ab, du alter Schwachkopf«, erwiderte Salik und drehte dem älteren Bären den Rücken zu. »Das geht dich gar nichts an.«
»Das geht mich sehr wohl etwas an und jeden anderen hier auch«, erwiderte der Bär. »Anderen Bären die Beute wegnehmen? Mit ihnen kämpfen? Und das am Längsten Tag?«
Seine Stimme hatte die Ohren anderer Eisbären erreicht, die aus dem Dickicht kamen oder aus dem Wasser wateten und wissen wollten, was los war. Sie versammelten sich um Taqqiq und seine Freunde und redeten aufgeregt durcheinander.
»Was ist denn los? Was haben sie gesagt?«
»Das kann doch nicht euer Ernst sein!«
Kallik kroch aus dem Gebüsch und quetschte sich durch die dichte Menge an Bärenleibern.
Salik und der andere Bär starrten einander böse an, als seien sie nur einen Herzschlag von einem Kampf entfernt. Taqqiq und seine beiden Freunde standen Seite an Seite da, knurrend die Zähne gefletscht. Sie blickten die anderen Bären trotzig an.
»Habt ihr denn keine Achtung vor den alten Sitten?«, fragte eine hohe Stimme bebend.
Die Bären wichen zur Seite, um Siqiniq vorzulassen. Ihr Körper war schwach und alt, doch ihre Augen glühten vor Zorn. »Wisst ihr denn nicht, dass zu Ehren der Eisgeister heute ein Tag des Friedens ist? Deshalb sind wir hier, nicht um zu kämpfen und zu stehlen und uns andere Bären zu Feinden zu machen.«
Salik schnaubte verächtlich. »Jeder Bär weiß doch, dass es keine Geister gibt. Das sind nur Märchen, mit denen man den Jungen einen Schrecken einjagt.«
»Genau. Wir glauben nicht mehr an so einen Quatsch«, pflichtete Taqqiq ihm bei.
Kallik blieb die Luft weg. War das wirklich Taqqiq, der da sprach? Taqqiq, mit dem sie in der Geburtshöhle gemeinsam Nisas Geschichten über Silaluk und die Jäger gelauscht hatte? »Taqqiq, nein …«, flehte sie, wurde jedoch von anderen Stimmen übertönt.
»Wenn ich deine Mutter wäre, würdest du meine Krallen zu spüren bekommen«, knurrte eine Bärin verächtlich.
»Meine Mutter ist tot«, erwiderte Taqqiq. »Und du kannst mir gar nichts sagen.«
»Gehen wir nun?«, wollte Salik wissen. »Ihr anderen könnt meinetwegen sitzen bleiben und verhungern«, brummte er der Menge zu. »Wartet ruhig ab, was eure kostbaren Geister für euch tun.«
»Genau«, warf Iqaluk ein. »Es ist uns ganz egal, was ihr macht, aber wir brauchen etwas zu fressen, und wir werden alles tun, um es zu bekommen.«
Mit Salik vorneweg drängelten sich die vier Bären durch die Menge und verschwanden im Gebüsch.
»Kunik, wir müssen das verhindern«, wandte sich Siqiniq bestürzt an den älteren Bären, der zuerst gesprochen hatte.
»Wenn wir gegen sie kämpfen, brechen wir den Frieden auch«, erwiderte Kunik. »Wollt ihr die Wut der Eisgeister auf euch ziehen?«
Siqiniq scharrte aufgeregt mit den Krallen in der Erde. »Aber was wird nun geschehen?«
»Das liegt bei den Eisgeistern«, erwiderte Kunik.
Kallik bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sie sah Taqqiq und die anderen am Seeufer entlanglaufen.
»Taqqiq! Warte!«, rief sie.
Selbst wenn ihr Bruder sie gehört hatte, so zeigte er es jedenfalls nicht. Er jagte Salik hinterher. Kallik folgte ihnen.
»Warte auf mich!«, keuchte sie.
Sie legte an Tempo zu und achtete nicht auf die spitzen Steine, die ihr in die Sohlen stachen. Trotzdem
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