Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
das Fliegen gleich leichter.
Auch die anderen beiden Gänse hatten sich wieder in die Formation eingereiht. Sie warfen Ujurak böse Blicke zu. Er schwor sich, ihnen aus dem Weg zu gehen, wenn die Gruppe erst landete.
Von seiner Position aus entdeckte Ujurak einen gespenstischen Schatten am Horizont. Es sah aus, als wäre eine Gewitterwolke zur Erde gesunken, in der Lichtblitze zuckten.
»Schlechter Ort!«, kreischte der Gänseführer und änderte die Richtung. »Kein Futter! Bitteres Wasser!«
»Schlecht … bitter …«, ging es durch den Rest des Schwarms.
»Lärmende Biester! Landgänger! Dahin nie!«, befahl der Anführer.
»Dahin nie …«
Ujurak wusste nicht, was die Gänse meinten, doch ihre Worte weckten ein ungutes Gefühl in ihm. Ihm fiel wieder ein, dass es ihm das erste Mal, als er seine Tatze in diese Gegend gesetzt hatte, genauso ergangen war. Er hatte gewusst, dass die Reise hier noch nicht zu Ende war. Nun verstärkte sich dieses ungute Gefühl. Er wollte nur noch weit weg mit seinen starken Flügeln und die unheilbringenden Schatten für alle Zeit aus seinem Kopf verbannen.
Mit dem Rest des Schwarms ging er auf einer sumpfigen Wiese in Strandnähe nieder. Das Meer hatte Algen angeschwemmt und beim Anblick der leckeren grünen und braunen Haufen juckten Ujurak vor Freude die Federn. Erst jetzt merkte er, wie hungrig der Flug ihn gemacht hatte. Er watschelte an den anderen Gänsen vorbei durchs nasse Gras und begann zu fressen.
Während Ujurak die ersten leckeren Algen herunterschluckte, überlegte er, dass auch hier Gefahren lauern könnten. Er hob den Kopf und sah sich rasch nach allen Seiten um, die Sinne geschärft, um mögliche Feinde zu entdecken. Doch er sah weder Wölfe, noch waren Bären oder Füchse in der Nähe. Keine Landgänger. Für den Augenblick war die Gänseschar in Sicherheit.
Ujurak senkte den Kopf und pickte weiter Algen auf. Während sich sein Bauch füllte, verging nach und nach das Hungergefühl. Dann, als er den Hals reckte, um einen dicken Klumpen hinunterzuschlucken, spürte er, dass sich etwas Hartes darin verbarg. Er würgte, um es wieder hochzukriegen, spürte jedoch einen stechenden Schmerz, als ob ihm etwas von innen in die Kehle stach.
Ujurak streckte den Hals und versuchte, den Fremdkörper herauszuhusten. Da sah er, dass ihm ein langer dünner Faden aus dem Schnabel hing. Er war durchsichtig und so fein, dass Ujurak ihn zwischen den Algen nicht bemerkt hatte. Seine Kehle verkrampfte sich, und er hustete heftig, um den Faden aus dem Hals zu bekommen. Doch mit dem Husten spritzte ihm nur Blut aus dem Schnabel und der stechende Schmerz wurde immer schlimmer.
»Hilfe!«, würgte er hervor. »Ich kriege … keine Luft …«
Die Gänse in seiner Nähe warfen ihm einen misstrauischen Blick zu. Als sie sahen, dass er in Not war, gingen sie auf Abstand. Verzweifelt überlegte Ujurak, dass sie ihm sowieso nicht helfen konnten. Er hob einen Fuß, um an dem Faden zu ziehen, doch der Schwimmfuß rutschte ab, er verlor den Halt und fiel um, panisch mit den Flügeln um sich schlagend.
Eine besonders große Welle erfasste ihn und überschwemmte ihn mit Algen. Dunkelheit umgab ihn.
Verwandle dich, sagte eine innere Stimme. So wirst du nicht überleben.
Ujurak war sich nicht sicher, was die Stimme meinte, doch er streckte die Glieder und bald verschwammen die weißen Federn und wurden zu braunem Fell. Die Kraft wich aus seinem Körper. Ein letztes Mal hustete er heftig, dann ließ er den Kopf sinken und blieb schlaff in der Brandung liegen. Das Meer nahm sein Blut mit sich.
9. Kapitel
Kallik
Kallik raste über die Ebene, verzweifelt bemüht, die davonfliegenden Gänse im Auge zu behalten. Toklo galoppierte neben ihr, während Lusa eine Bärenlänge hinter ihnen blieb. Toklo hatte es aufgegeben, nach Ujurak zu rufen. Er sparte sich seinen Atem lieber fürs Laufen.
Spitze Steine stachen Kallik in die Tatzen, während sie im wilden Zickzack immer wieder die Richtung änderte, um dem Schwarm, der über ihr flog, zu folgen.
Was ist, wenn wir sie aus dem Blick verlieren? Ob Ujurak den Weg zurückfindet?
Die Gänse drehten vom Vorgebirge ab und flogen auf das Meer zu. Eine Weile folgten sie der Küstenlinie, ließen sich dann aber zu Kalliks Erleichterung auf einer Wiese in der Nähe des Ufers nieder.
Danke, Silaluk!
Als Toklo anhielt, kam Kallik neben ihm zum Stehen. Einen Augenblick später traf auch Lusa keuchend ein.
»Was machen wir jetzt?«, japste die
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