Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
gesprenkelt war. Seine Beine wurden dünner und zuckten vor Schmerz, während sie sich verwandelten. Kallik beobachtete mit einer Mischung aus Mitleid und Erstaunen, wie die Vordertatzen ihres Freundes sich teilten und zu langen Fingern wurden. Ujurak stieß einen weiteren Schmerzensschrei aus, als seine Schnauze schrumpfte und seine Ohren sich drehten und flacher wurden. Am Schluss verschwanden, abgesehen von einem Stück Fell auf dem Kopf, die verbliebenen Pelzreste.
Kallik betrachtete das schwache Flachgesichterjunge, das da vor ihr in den Wellen lag. Ujurak hatte in der letzten Phase der Verwandlung das Bewusstsein wieder verloren. Sein Atem ging kraftlos und flach. Die Angelschnur, an der schaumiges Blut klebte, hing ihm noch aus dem Mund.
»Kommt schon«, rief Lusa. »Er wird sterben, wenn wir uns nicht beeilen.«
»Ich trage ihn«, erbot sich Kallik.
»Nein, das mache ich.« Toklo trat einen Schritt nach vorn. Er wirkte wie betäubt. Kallik konnte das verstehen, denn normalerweise gingen Ujuraks Verwandlungen leicht vonstatten, ja, er schien sie fast zu genießen. Diesmal hatte er gelitten und seine letzten Kräfte dafür eingesetzt.
»Gut, Toklo, leg dich hierher«, wies Lusa ihn an.
Der kleine Grizzly gehorchte. Gemeinsam zogen Lusa und Kallik Ujurak auf Toklos Rücken. Der Braunbär erhob sich und machte sich langsam, aber beständig auf den langen Weg zurück ins Tal, wo sie die Flachgesichterhöhlen gesehen hatten. Die Sonne, die gerade unterging, schickte störrisch rote Strahlen durch die grauen Gewitterwolken. Kallik wusste instinktiv, dass sie Ujurak in Sicherheit bringen mussten, ehe es dunkel wurde. Ein verletztes Flachgesichterjunges, dem der warme Pelz fehlte, konnte die kalte Nacht nicht überleben. Ujurak konnte nur in Gestalt eines Flachgesichtes geheilt werden, doch gleichzeitig war er darin so verletzlich!
Kallik und Lusa trotteten neben Toklo her, um Ujurak aufzufangen, falls er von Toklos Rücken rutschte. Es war wie an jenem Tag, an dem Toklo Lusa getragen hatte, nachdem sie von einem Feuerbiest getroffen worden war. Sie hatten solche Angst gehabt, dass Lusa sterben würde. Und nun bestritten sie wieder ein verzweifeltes Wettrennen gegen die Zeit, diesmal, um Ujurak das Leben zu retten.
Als sich Ujurak leicht bewegte, legte Kallik ihm die Schnauze aufs Bein. Sie spürte, wie schlimm er fror. Sie hatte sich die Flachgesichterhaut immer rosa vorgestellt, doch Ujurak war bleich wie Schnee, mit einem Hauch Blau. Er war noch ohne Bewusstsein und sein Kopf baumelte hin und her.
»Sein Geist ist bereit, zu gehen«, brummte sie entsetzt.
»Er schafft es«, versicherte ihr Lusa. »Der Flachgesichterheiler weiß bestimmt, wie er ihm helfen kann.«
Doch Kallik konnte Lusas Zuversicht ebenso wenig teilen wie ihr Vertrauen in das Können der Flachgesichter. Sie hatte Nisa und Nanuk sterben sehen, obwohl sie alles darum gegeben hätte, sie zu retten.
Als die Bären an der Flachgesichterhöhle vorbeikamen, an der sie das Junge zum ersten Mal gesehen hatten, fielen dicke Regentropfen vom Himmel, die in Sekundenschnelle zu einem Platzregen wurden. Bald war ihr Fell völlig durchnässt und der Karibupfad, dem sie folgten, verwandelte sich in Matsch.
»Das hat uns gerade noch gefehlt!«, knurrte Toklo.
Der Regen prallte von Ujuraks ungeschütztem Körper ab und klatschte ihm das verbliebene Fell an den Kopf. Kallik stieß ein verzweifeltes Heulen aus. Das verletzliche Junge brauchte dringend Wärme und Schutz. Der Regen schwemmte womöglich die letzte Hoffnung auf Leben davon. Kallik konnte nicht einmal erkennen, ob Ujurak noch atmete.
Als sie endlich die letzte Biegung des Tals umrundeten und in Sichtweite der Flachgesichtersiedlung kamen, konnten sie dort niemanden entdecken.
»Die sind alle in ihren trockenen Höhlen«, murmelte Kallik.
»Was machen wir dann mit Ujurak?«, fragte Toklo. »Wir müssen ihn ins Trockene bringen, aber schnell.«
»Da drüben ist das kleine Flachgesicht herausgekommen«, sagte Lusa und deutete mit der Schnauze auf einen der Holzbauten. »Da muss der Heiler wohnen.«
Ohne zu antworten, bog Toklo vom Karibupfad ab und trottete zum Eingang der Höhle. Er kauerte sich hin, damit Lusa und Kallik Ujurak vorsichtig von seinem Rücken ziehen konnten. Kallik merkte, dass er noch atmete, doch sein Atem ging flach und schnell. Vor dem verschlossenen Eingang ließen sie ihn liegen.
»Kommt mit«, sagte Toklo, als er wieder aufstand. »Hauen wir ab. Nicht, dass die
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