Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
ragenden Stein zum nächsten. Lusa hatte ihn schon oft beobachtet, er machte das manchmal stundenlang. Die Eisbären waren sogar noch unheimlicher als der Grizzly, der ganz für sich lebte und nicht viel sagte. Lusa kannte ihre Namen nicht. Die Eisbären blieben immer auf ihrer grauen Steininsel oder im eiskalten Wasser und beachteten die anderen Bären nicht, die zu beiden Seiten lebten. Lusa war das ganz recht. Sie waren fast dreimal so groß wie ihre Mutter, und sie hatte manchmal das Gefühl, dass sie absolut nichts dagegen hätten, sie, Lusa, zum Abendessen zu verspeisen statt der Fleischbrocken, die die Flachgesichter über die Mauer warfen.
Ihre Schnauze begann zu jucken. Völlig in Gedanken über die Eisbären versunken, vergaß sie die Wette mit Yogi und hob die Tatze, um sich zu kratzen.
»Ha!«, japste Yogi und sprang auf. »Du hast dich bewegt! Ich habe gewonnen!«
»Oh!« Lusa kam sich dumm vor. »Na, spielt eh keine Rolle. Wenn ein Grizzly mich aufspürt, würde ich einfach auf einen Baum klettern. Ich kann viel besser klettern als so ein dicker Braunbär.«
»Komm, wir fragen Stella, ob sie uns die Geschichte vom Bärenbaum noch mal erzählt«, schlug Yogi vor.
Die beiden Jungbären sprangen hinüber zu Stella. Sie war älter als sie beide, aber jünger als King, und sie kannte eine Menge spannender Geschichten über Bären in der Wildnis, obwohl sie selbst dort nie gelebt hatte. Sie war aus einem anderen Zoo gekommen, wo ihr die Bären viel Aufregendes über das Leben außerhalb der Zäune erzählt hatten. Ihr Pelz war rötlich-braun, längst nicht so dunkel wie der von Lusa oder Yogi.
»Stella, Stella!«, riefen die beiden.
»Erzähl uns die Geschichte von dem Bären, der sich in den größten Baum des Waldes verwandelt hat«, bat Yogi.
»Bitte!«, fügte Lusa sicherheitshalber hinzu.
Die ältere Bärin schnaubte und setzte sich nieder, wobei sie die Vordertatzen hob und die Schnauze hoch in die Luft reckte. »Könnt ihr den Wald riechen?«, murmelte sie.
Die Jungbären hoben ihre Nasen in die Luft und blähten die Nüstern. Eine Million Gerüche stürmten auf Lusa ein. Sie konnte all die Flachgesichter riechen, die sich durch den Zoo drängten. Sie roch nicht nur den überaus leckeren Duft dessen, was sie aßen, sondern auch das scharfe, fast blütenartige Aroma ihres farbenfrohen Fells. Außerdem konnte sie viele andere Tiere riechen, die sie nicht kannte. Obwohl sie noch nie eins von ihnen gesehen hatte, wusste sie, dass sie lebendig waren, weil sich ihr Geruch veränderte, wenn sie sich in ihren Gehegen bewegten. Sie hätte gern gewusst, wie sie aussahen und ob sie, wenn man ihnen begegnete, freundlich wären oder furchterregend. Sie konnte auch allerlei unbekannte Pflanzen riechen, die nun wieder zu wachsen begannen. War das der Wald, den Stella meinte?
»Vielleicht«, sagte Yogi. »Ich rieche jedenfalls etwas.«
»Bei deiner Nase kann das wer weiß was sein«, neckte ihn Lusa.
»Vor langer Zeit«, sagte Stella, ohne Lusas Bemerkung zu beachten, »war dieses ganze Land von Wald bedeckt, und die Bären streiften überall umher, wo es ihnen nur gefiel.«
»Was ist passiert?«, fragte Lusa. »Wo ist der Wald geblieben?«
»Tja, die Flachgesichter sind gekommen und haben das Land verändert«, sagte Stella. »Doch noch immer gibt es Wald da draußen, weit, weit weg – zum Beispiel dort, wo King gefunden wurde.«
»Erzähl uns vom Wald«, bettelte Yogi. »Wie sieht er aus?«
»Da stehen Bäume, so weit du schauen kannst, und sie reichen weiter, als der schnellste Bär an einem Tag laufen kann.«
»Selbst ein Braunbär?«, fragte Lusa. Sie hatte gehört, wie schnell die Grizzlybären waren, obwohl der von nebenan eigentlich nur den ganzen Tag herumlag und grummelte.
»Selbst ein Braunbär«, sagte Stella. »Und im Innern jedes einzelnen Baums steckt die Seele eines Bären.«
»Und gibt es viele Bären auf der Welt?«, fragte Lusa atemlos.
»Früher ja«, sagte Stella. »Und einer von ihnen lebte genau hier im Gehege, vor langer Zeit, lange bevor ihr geboren wurdet.«
»Was ist mit ihm passiert?«, fragte Yogi.
»Er wurde alt, sehr alt«, sagte Stella. »Er war viel älter als King. Seine Schnauze war mit grauen Fellhaaren gesprenkelt, und wenn er sich bewegte, knarrten seine Knochen wie die Äste eines morschen Baumes im Wind.«
»Wie war sein Name?«, wollte Lusa wissen.
Stella hielt inne und kratzte sich nachdenklich an der Nase. »Sein Name war Alter Bär«, sagte sie
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