Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
ihnen zusammengerollt hatten, richtete aber genau wie Kallik seine ganze Aufmerksamkeit auf das Loch. Sie warteten und warteten, achteten auf die geringste Bewegung … doch nichts geschah. Nicht einmal das Schnurrhaar einer Robbe brach durch die Oberfläche des dunklen Wassers.
Schließlich setzte sich Kallik seufzend auf. Die Sonne war fast am Himmelsrand angekommen und graue Wolken hingen dick und schwer über ihnen. »Es tut mir leid, Toklo«, knurrte sie. »Du bist sehr geduldig gewesen, aber so lange habe ich noch nie gewartet.«
Toklo kratzte enttäuscht mit den Krallen über das Eis. Das war nicht fair! Wie sollte er das Jagen lernen, wenn sie nicht einmal sicher sein konnten, ob es dort, wo sie jagten, überhaupt Robben gab? Er drehte sich zu den anderen beiden Bären um.
»He, Ujurak!«, rief er. »Ich habe eine Idee! Komm mal her!«
Misstrauisch stand Ujurak auf und stapfte zum Robbenloch. Lusa wälzte sich auf die andere Seite, ohne aufzuwachen.
»Kallik sagt, dass es hier vielleicht gar keine Robben gibt«, erklärte Toklo. »Deshalb habe ich mir gedacht, du könntest dich in eine Robbe verwandeln und für uns nachsehen.«
»Ich bin kein Beutetier, Toklo«, fauchte Ujurak. »Ich bin ein Bär!«
»Du müsstest nur abtauchen, ein bisschen herumschwimmen und nachsehen, ob du welche siehst. Dann kommst du zurück und erzählt es uns. Das ist ganz einfach.«
»Nein!«, rief Ujurak. »Wie kommst du nur auf die Idee, mich um so etwas zu bitten?«
»Das ist doch keine große Sache«, beharrte Toklo, den Ujuraks Reaktion überraschte. »Wir wollen nur wissen, ob es sich lohnt, noch länger hier zu warten. Du sollst sie ja nicht herlocken oder so.«
Ujuraks Augen wirkten in dem schneebedeckten braunen Pelz schwarz und riesengroß. »Du verstehst das nicht!«, fauchte er. »Wenn ich ein anderes Tier bin, fühle ich, was dieses Tier fühlt: seinen Hunger, seine Sorgen, seine Ängste. Ich wünschte, ich hätte diese Fähigkeit nicht.«
»Ich habe ja nie behauptet, dass ich das verstehe«, entgegnete Toklo. »Aber wenn du dich schon verwandeln kannst, dann könnte es doch hin und wieder nicht lästig sein, sondern richtig nützlich.«
»Es dauert nicht lange, zu tauchen und nachzusehen«, fügte Kallik hinzu.
»Außerdem hast du es bei den Gänsen doch auch gemacht, weißt du noch?«, erinnerte ihn Toklo.
»Ach ja, das war ja wohl ein voller Erfolg! Ich bin fast daran gestorben!«, schnaubte Ujurak. »Genau das meine ich! Was ist, wenn etwas passiert oder ich vergesse, mich zurückzuverwandeln?«
»Das wäre dumm«, brummte Toklo. »Du musst eben immer daran denken, dass du eigentlich keine Robbe bist. Ist das so schwer?«
»Ich bin ein Braunbär!«, rief Ujurak. »Verstanden? Das ist alles, was ich bin, und alles, was ich sein will! Ein Braunbär!« Er stapfte davon und setzte sich mit dem Rücken zu Toklo neben Lusa in den Schnee.
Toklo sah Kallik fragend an. »Was ist denn in den gefahren?«
Kallik schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Vielleicht hat es ihm Angst gemacht, dass er so lange ein Wal war. Jedenfalls können wir ihn nicht zwingen und hier sollten wir auch nicht länger bleiben.« Sie nickte zum Himmel hin. »Ein Sturm zieht auf. Wir müssen einen Unterschlupf finden. Hoffentlich geht es mit der Jagd besser, wenn wir weiter von der Küste entfernt sind.«
Toklos Magen krampfte sich vor Hunger zusammen. Er hatte keine Ahnung, wo die Küste von hier aus war. Konnte Kallik das auch riechen? War sie in der Nähe? Und was bedeutete »nah« für einen Eisbären, der am Tag mehrere Himmelslängen zurücklegte?
Sie trotteten zu den anderen zurück. Ujurak stand auf, als er sie kommen hörte, und stapfte ein paar Schritte weiter. Dann drehte er sich um und warf Toklo einen bitterbösen Blick zu.
Lusa hob schläfrig den Kopf. »Was ist passiert?«, fragte sie gähnend.
»Nichts«, sagte Toklo. »Komm schon, steh auf.« Er gab ihr einen Stups. »Wir müssen einen Unterschlupf finden.«
»Und da können wir schlafen?«, fragte Lusa hoffnungsvoll.
Toklo nickte. »So ähnlich haben wir uns das gedacht.«
Als Kallik wieder die Führung übernahm, fielen schon die ersten dicken Schneeflocken, legten sich auf ihren Pelz und setzten sich in Nase und Ohren fest. Die Bären trotteten an niedrigen Schneebergen und zerklüfteten Eisformationen vorbei, die aussahen, als reckten sie sich nach den Wolken. Nach und nach frischte der Wind auf und heulte über das Eis. Die Bären mussten dichter
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