Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
sie das Eis zu fassen bekam, spürte sie auch schon, wie sich die Zähne ihrer Freunde in ihr Fell gruben und sie aufs Eis zogen. Mit den Hinterbeinen strampelnd, stieß sich Kallik aus dem Wasser. Sie lebte!
Besser noch: Die Eisscholle war so nah an die andere Seite der Rinne getrieben, dass die vier Bären sicher aufs feste Eis springen konnten. Kallik purzelte in den Schnee und blieb erschöpft liegen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie war zu benommen, um aufzustehen und sich das Wasser aus dem tropfnassen Fell zu schütteln.
»Das war ja seltsam!«, schnaufte Lusa. »Die Orcas haben plötzlich die Flucht ergriffen.«
»Wenn nicht, wäre ich ins Wasser gesprungen und hätte sie verjagt«, erklärte Toklo kämpferisch.
»Das darfst du nicht!«, rief Kallik. »Du kannst nicht gegen Orcas kämpfen, Toklo. Nicht einmal meine Mutter konnte das. Versprich mir, dass du das niemals machst.«
Lusas Augen leuchteten. »Aber es sah so aus, als hättest du sie in die Flucht geschlagen.«
Kallik schaute zu Ujurak, der mit nachdenklichem Blick aufs Wasser starrte. Er hob den Kopf. »Ich wusste, dass du es schaffst«, sagte er. »Das ist wieder ein Zeichen. Wir sollen zusammenbleiben und hier sind wir auf dem richtigen Weg.«
Toklo schnaubte. »Könntest du wohl dafür sorgen, dass die Zeichen nächstes Mal ein bisschen weniger gefährlich sind?«
Kallik wusste nicht, noch interessierte es sie, ob dies ein Zeichen für ihre Suche war. Sie konnte nur daran denken, wer der blasse Schatten gewesen war.
Danke, Mutter, dachte sie, schloss die Augen und legte den Kopf auf das kühle Eis. Danke, dass du mir das Leben gerettet hast.
10. KAPITEL
Ujurak
Sobald Kallik sich erholt hatte, marschierten die vier wieder los. Ujurak hatte Mühe, die Angst, die ihn beim Angriff der Orcas auf Kallik befallen hatte, wieder abzuschütteln. Wenn sie gestorben wäre, so wäre es seine Schuld gewesen, denn er hatte darauf bestanden, die Wasserrinne zu überqueren.
Aber stimmte die Richtung, die er vorgab, überhaupt? Sicher war er sich nicht. Die Zeichen hier draußen waren so merkwürdig. Er war es gewöhnt, in umgestürzten Bäumen und Steinhaufen zu lesen oder im fernen Rieseln eines Baches. Doch mit wirbelndem Schnee und dem endlosen leeren Eis konnte er wenig anfangen. Das beunruhigte ihn.
Ujurak sah sich zu Kallik um. Neben Lusas kleiner dunkler Gestalt, die neben ihr hertrottete, ragte ihr massiger Körper auf. Es war eine Erleichterung gewesen, die Verantwortung für die Wanderung eine Weile an sie abzugeben. Da Ujurak hier draußen orientierungslos war, hatte er gehofft, dass sie sich auf dem Eis genug auskannte, um sie ans Ziel zu führen. Natürlich wusste sie, wie man auf dem Eis überlebte, aber sie wusste nicht, wie sie die Zeichen zu lesen hatte, und erst recht nicht, wonach sie eigentlich suchten.
Das wusste nicht einmal Ujurak genau. Ein seltsames Zupfen unter seinem Fell zog ihn erbarmungslos weiter. Er war aus gutem Grund hier, so viel war klar. Er konnte nur hoffen, dass er das Ziel erkennen würde, wenn sie es vor sich hatten. Und dass sie dann in der Lage sein würden, die Wildnis zu retten, wie es ihm und Lusa im Traum vorausgesagt worden war.
Ujurak wendete den Blick wieder dem Himmel zu. Die tanzenden Lichter waren ein vielversprechendes Zeichen gewesen, doch sie hatten lediglich den Weg aufs Eis gewiesen. Sie gaben ihm keinen Hinweis darauf, was sie zu tun hatten. Sogar der Wegweiserstern verwirrte ihn. Nachts stand er fast genau über ihnen, sodass Ujurak nicht wusste, ob er ihm weiter folgen sollte oder ob er sie nur hierhergeführt hatte, in die Eiswüste.
Am Tag war es noch schwieriger. Ujurak betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die dünnen grauen Wolken, die über den blassblauen Himmel zogen. Vor einer Weile hatte er vier deutliche Wolkenstreifen gesehen, die alle in eine Richtung wiesen und die er als Zeichen verstanden hatte. Doch mittlerweile hatten sich die Streifen aufgelöst und mit ihnen war auch seine Gewissheit verflogen. Nichts deutete in dieser Einöde darauf hin, dass sie auf dem richtigen Weg waren.
Ujurak klammerte sich an Kalliks rätselhafte Errettung vor den Orcas. Das musste das erhoffte Zeichen sein, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hatten und die Geister bei ihnen waren. Er musste Vertrauen haben.
Vor allem aber musste er Zuversicht ausstrahlen. Die anderen ahnten nichts von seiner Unsicherheit. Er musste vor ihnen verbergen, wie sehr ihn das alles verwirrte. Wenn
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