Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
zusammenbleiben, um sich nicht aus den Augen zu verlieren.
Da hob Kallik den Kopf und blieb abrupt stehen. »Ich rieche eine Eisbärin. Sie ist sehr nah. Wegen des Sturms habe ich sie bisher nicht bemerkt.«
»Hat sie Beute?«, fragte Toklo. »Vielleicht können wir sie in die Flucht schlagen.«
»Das will ich lieber nicht«, erwiderte Kallik unbehaglich. »Wir sollten anderen Bären nicht das Fressen stehlen, sondern es uns selber fangen.« Sie seufzte und schüttelte sich den Schnee vom Rücken. »Ein Unterschlupf ist jetzt sowieso wichtiger. Wir müssen einen Ort finden, an dem wir eine Höhle graben können.« Sie warf einen besorgten Blick in den Himmel und marschierte weiter.
»Was ist denn damit?«, schlug Toklo vor und klopfte auf einen großen Hügel neben ihnen. Für ihn sah es aus, als gäbe es bis zum Rand des grauen, stürmischen Himmels jede Menge Schneewehen, in denen sie Zuflucht finden konnten. Doch als er mit der Tatze dagegenstieß, merkte er zu seiner Überraschung, dass sich unter der dünnen Schneeschicht ein massiver Eisblock verbarg. Toklo fuhr mit den Krallen über das Eis, das jedoch hart wie Stein war. Als er aus Enttäuschung mit aller Kraft ins Eis kratzte, rutschte er mit der Tatze aus und riss sich die Sohle auf. Mit einem wütenden Jaulen machte er einen Satz zurück.
»Aua!« Er leckte sich die Tatze. Ein paar Blutstropfen fielen in den Schnee.
Kallik wirbelte wütend zu ihm herum. »Du Robbenhirn! Ein Eisbär kann das noch Himmelslängen entfernt riechen!« Sie berührte die Blutstropfen mit der Tatze. »Sie werden nach uns suchen. Und wenn es wenig Beute gibt, dann schnappen sie sich statt einer Robbe vielleicht einen von uns.«
Toklo wollte gerade zurückschnauzen, als sein Blick auf Lusa fiel. Er musste daran denken, dass er als Bärenbaby für erwachsene Grizzlys noch mögliche Beute gewesen war. Eisbären waren noch größer als ausgewachsene Braunbären. Und Lusa wirkte hier draußen auf dem Eis winzig und verletzlich. Wenn ihr etwas zustieß und er schuld war …
Er schluckte eine patzige Antwort hinunter und vergrub die Tatzen im Schnee, bis sie taub wurden und das Blut versiegte. Er wollte seine Freunde nicht in Gefahr bringen.
»Die Hügel hier sind sowieso nicht groß genug.« Kallik musste brüllen, damit die anderen sie über den tosenden Wind hinweg verstanden. »Wir brauchen eine höhere Schneewehe, in die wir uns richtig hineingraben können und die nicht durch und durch gefroren ist.«
Sie marschierten weiter und kämpften sich durch den Sturm. Toklo senkte den Kopf, um den Schnee nicht in die Augen zu bekommen, und wünschte, er könnte verhindern, dass er sich ihm in die Ohren setzte.
Für Lusa mit ihren großen runden Ohren musste es noch schwieriger sein. Und da er mit seinen Tatzen schon Schwierigkeiten beim Laufen hatte, sank sie mit ihren sicher ein bis zum Bauch. Er wandte sich zu der kleinen Schwarzbärin um, doch er sah sie nicht mehr.
»Kallik!«, brüllte er. Kallik und Ujurak blieben stehen und drehten sich zu ihm um. Im Schneesturm waren sie nur als schattenhafte Gestalten zu erkennen, obwohl sie nicht mehr als eine oder zwei Bärenlängen vor ihm sein konnten. Wie sollten sie da Lusa bloß wiederfinden?
»Lusa ist weg!«, bellte Toklo. »Sie ist nicht mehr hinter mir!« Er drehte sich um und taumelte zurück durch den tiefen Schnee. Was, wenn sich ein Eisbär von hinten angeschlichen, Lusa gepackt und mitgenommen hatte? Oder wenn sie in eine Eisspalte gefallen war und der Sturm ihre Hilfeschreie verwehte?
Schreckliche Bilder schossen Toklo durch den Kopf, während er sich verzweifelt durch den Schnee zurückkämpfte. Eine Weile konnte er ihren Tatzenspuren folgen, doch schon bald waren sie fast völlig vom Schnee bedeckt. Wenn sie den Weg, den sie genommen hatten, nicht zurückverfolgen konnten, würden sie Lusa vielleicht niemals finden.
»Toklo, warte!«, rief Kallik, die ihn soeben einholte. »Ich wittere sie! Kommt mit!« Sie raste in den wirbelnden Schnee, gefolgt von Toklo und Ujurak.
Neben einem kleinen Schneehaufen kam Kallik rutschend zum Stehen. Sanft stupste sie den Schnee mit der Nase an und wischte ihn mit der Tatze weg. Da lag, zusammengerollt gegen einen Eishügel, Lusa.
Sie schlief tief und fest.
Angst jagte Toklo über das Fell. Mit großen Augen schaute er zu Kallik und Ujurak auf.
»Was ist?« Kallik schauderte, als sie seinen Blick sah.
Toklo schluckte. »Ich glaube, ich weiß, was mit Lusa nicht stimmt.«
12.
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