Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
zu erreichen.
Die Dringlichkeit in Ujuraks Stimme hatte Kallik angesteckt, sie begann noch schneller zu laufen. Ein flacher Eiswall versperrte ihnen den Weg, doch sie musste sich nur mit ihren kräftigen Hinterbeinen abdrücken, um ihn zu erklimmen.
»Halt!« Kallik erstarrte, während sie den Warnruf ausstieß. »Gefahr!«
Nur wenige Tatzenlängen voraus war das Eis verschwunden. Eine Rinne etwa von der Breite eines der großen Wasserbiester, die die Krallenlosen benutzten, lief mitten hindurch. Der Gestank brennender Öldämpfe lag noch immer in der Luft und ließ Kallik würgen.
Ihre Freunde kamen herbei, sprangen bis dicht an den Rand der Rinne und spähten neugierig ins Wasser. Kallik blieb, wo sie war, ihre Beine waren wie festgewachsen. Zu sehr rief diese Rinne die Erinnerung wach an jene andere, die sie und Taqqiq hatten überqueren müssen und in der Nisa ihr Leben gelassen hatte, um sie vor den Killerwalen zu retten.
Toklo balancierte auf der Eiskante. »Wir werden rüberschwimmen müssen«, verkündete er. »Es ist nicht so weit wie damals, als wir den Großen Fluss in der Nähe des Rauchbergs überqueren mussten. Es wird nicht lange dauern.«
»Nein«, erwiderte Kallik mit erstickter Stimme. »Das können wir nicht. Es ist zu gefährlich.«
Toklo kniff die Augen zusammen. »Wie, gefährlich?«
Kallik schluckte. Der furchtbare Tag, an dem sie Nisa verloren hatte, wurde wieder lebendig in ihr. »Orcas«, flüsterte sie schließlich.
Gegen den Schrecken ankämpfend, starrte sie auf ihre Tatzen, bis sie bemerkte, dass Lusa zu ihr trat. Sie fühlte die Wärme der Schwarzbärin, die sich tröstend an sie schmiegte.
»In so einer Situation ist deine Mutter gestorben, nicht wahr?«, fragte Lusa leise.
Kallik konnte nicht sprechen, nur mühsam nicken.
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, fuhr Lusa mit warmer, verständnisvoller Stimme fort. »Aber diesmal wird es anders sein. Es wird nichts passieren. Es ist nicht weit und wir schwimmen schnell. Außerdem sind wir viel größer als Taqqiq und du damals.«
Du nicht, dachte Kallik. Und vielleicht war an dem Robbenloch nichts los, weil es hier so viele Orcas gab.
Lusa schob sie sanft nach vorn und Kallik ließ sich von ihr bis zum Wasser führen. Jetzt sah sie deutlich die aufgerissenen Ränder, wo das Wasserbiest durchs Eis gepflügt war. Der Ölgestank war stärker als je zuvor.
»Kallik, wir müssen hier lang«, sagte Ujurak.
»Er hat recht«, stimmte Toklo dem Freund ungeduldig zu. »Es wird bald dunkel und wir können nicht über Nacht hierbleiben.«
»Ich such uns eine Stelle, wo wir gut hineinkommen«, verkündete Lusa und lief los, immer an der Rinne entlang.
Plötzlich gab es ein lautes Knacken, das Eis unter Lusas Tatzen zerbarst und sie stürzte ins Wasser. Kallik wollte ihr nach, hielt aber inne, als Lusas schwarzer Kopf sofort wieder auftauchte.
Lusas Vordertatzen wirbelten wild hin und her. »Alle Geister, ist das kalt!«, rief sie. »Aber wo ich jetzt schon mal drin bin, kann ich auch gleich weiterschwimmen. Es ist genau wie beim ersten Mal, als wir zum Eis hinausgeschwommen sind.« Mit hastigen Bewegungen steuerte sie die andere Seite der Rinne an. »Ich weiß nicht, warum, aber es ist wirklich viel leichter, im Meer zu schwimmen als im Fluss. Da hattest du völlig recht, Kallik.«
Mit kräftigen Zügen setzte sie ihren Weg fort, und jetzt glitt auch Toklo ins Wasser.
»Du als Nächstes«, forderte Ujurak Kallik auf.
»Ich … äh …«, begann Kallik, sprach dann aber nicht weiter. Sie sah ein, dass es sinnlos war, sich zu sträuben. Ich habe ihnen geholfen, als wir zum ersten Mal im Meer geschwommen sind. Ich habe ihnen gezeigt, wie man sich über Wasser hält, wenn man müde ist. Ich kann jetzt nicht zurückbleiben und sie im Stich lassen.
Mit einem Satz sprang sie ab und das Wasser schlug über ihr zusammen, kalt und vertraut. Sie hörte, wie hinter ihr auch Ujurak ins Wasser glitt und losschwamm. Vorne kam Lusa gut voran, hatte die Hälfte der Strecke bereits geschafft, und Toklo folgte dicht dahinter.
Plötzlich nahm Kallik aus dem Augenwinkel eine flüchtige Bewegung wahr. Sie fuhr herum und sah eine riesige schwarze Flosse durchs Wasser ziehen, genau auf Lusa zu. Die kleine Schwarzbärin schwamm ruhig dahin, sie war sich keiner Gefahr bewusst.
Entsetzen überschwemmte Kallik wie eine eisige Welle. »Orcas!«, rief sie. »Schwimmt schneller!« Sie legte alle Kraft in ihre Beine und schoss durchs Wasser, um so rasch wie
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