Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
Freude, als er in seiner vertrauten Bärengestalt wiederaufgetaucht war.
Zuletzt schlummerte Lusa doch ein, fand aber auch dann keine Ruhe. Sie glaubte, in tiefem, eisigem Wasser zu zappeln, mit dem Kopf immer wieder gegen eine endlose Eisdecke stoßend. Schwärme von riesigen Gestalten schossen um sie herum. Sie blickte in kalte Augen und weit aufgerissene Mäuler mit spitzen Zähnen, die ihr das Fleisch aus dem Leib reißen wollten. Von namenlosem Entsetzen gepackt, wollten ihr die Sinne schwinden.
Hilfe! Helft mir doch!
Dann spürte Lusa einen Stupser von hinten und sie wurde durchs Wasser geschoben. Kurz darauf stieß sie durch ein Eisloch hinaus an die Oberfläche. Prustend warf sie sich herum, um zu sehen, wer sie gerettet hatte.
»Ashia!«, rief sie und hätte in ihrer Verblüffung fast vergessen, die nötigen Schwimmbewegungen zu machen.
Lusas Mutter betrachtete sie mit all der Wärme und Liebe, die sie ihr stets hatte zukommen lassen, als sie noch im Bärengehege zusammengelebt hatten. Und doch wirkte sie verändert.
»Mutter, du hast Sterne im Fell!«, flüsterte Lusa, während sie ehrfürchtig auf das sanfte Schimmern starrte, das sich durch Ashias schwarzen Pelz zog.
Ashia streckte die Tatzen aus, stieg aus dem Wasser auf und verharrte schwebend über Lusa. Sie wurde immer größer, ihr Körper dehnte sich aus, und die Sterne in ihrem Fell strahlten zusehends heller, bis sie schließlich die Gestalt der Großen Bärin Silaluk angenommen hatte. Doch als sie zu sprechen begann, tat sie es mit der Stimme von Lusas Mutter.
»Du bist jetzt in Sicherheit.«
Die Sternenbärin sank sanft auf das Eis nieder und zog sich langsam zurück.
»Warte auf mich!«, rief Lusa, kletterte hastig aus dem Wasser und stürzte ihr nach.
Silaluk wandte sich noch einmal zu ihr um. »Du kannst ganz unbesorgt sein, Lusa«, sagte sie. »Ich werde auf dich aufpassen.«
Dann bewegte sie sich so schnell fort, dass Lusa sie nicht mehr einholen konnte, und schrumpfte schließlich zu einem hellen Stern am Horizont zusammen.
Allein zurückgelassen, stimmte Lusa ein Klagegeheul an und bekam augenblicklich einen energischen Stoß in die Seite.
»Sei still«, knurrte Toklo. »Bei so einem Lärm kann doch kein Bär schlafen.«
Lusa öffnete verwundert die Augen und sah sich um. Sie lag in der behelfsmäßig in den Schnee gegrabenen Höhle, die anderen Bären dicht neben ihr. Ich bin nicht allein, dachte Lusa, plötzlich zuversichtlicher. Ich habe drei Freunde, die bei mir sind.
Über ihr zeigte die Blässe des Himmels den nahenden Tag an, und am fernen Horizont verriet ein rötlich goldener Schimmer, wo bald die Sonne aufgehen würde. Ihr Magen knurrte und erinnerte sie daran, wie lange es her war, seit sie etwas zu fressen gefunden hatten.
Die Sonne stieg schon auf, als sie aus der Höhle krochen, um sich wieder auf den Weg zu machen. Blinzelnd trotteten sie durch die grellweiße Eislandschaft, auf der die Sonnenstrahlen sich spiegelten. Bald schon konnten sie die Umrisse des vor ihnen liegenden Landstücks ausmachen. Es schien wiederum eine Insel zu sein, die sich, größer als die erste, wie eine dunkle Masse aus dem gefrorenen Meer erhob.
Noch mehr Weidentriebe, dachte Lusa hoffnungsvoll. Das Wasser lief ihr im Maul zusammen beim Gedanken daran, wie sie das große Loch in ihrem Bauch stopfen würde.
Toklo übernahm die Führung und schlug ein flottes Tempo an. Lusa und die anderen mühten sich, Schritt zu halten, und schnell nahm die Insel deutlichere Konturen an. Diesmal war leichter zu erkennen, wo das Meer endete und das Land begann, weil das Land hinter einem schmalen Strandstreifen sofort steil anstieg. Hier und da hatte der Wind den Schnee weggeweht und nackten grauen Fels freigelegt.
»Ich habe vielleicht einen Hunger!«, rief Lusa und grub voller Eifer im Boden.
Toklo sprang zurück, als die weißen Eiskristalle sein Gesicht trafen. »Pass gefälligst auf!«
Doch Lusa erlebte eine herbe Enttäuschung, denn am Grund des Loches, das sie freigeschaufelt hatte, stieß sie lediglich auf große Steine – keine Erde, keine Pflanzen. »Wir können doch keine Steine fressen«, jammerte sie.
»Wir müssen weiter landeinwärts gehen«, erklärte Kallik. »Wir finden bald was zu fressen, keine Sorge.«
»Also gut. Worauf warten wir dann noch?« Mit ein paar Sprüngen ließ Lusa den Strand hinter sich. Kallik und Ujurak folgten ihr.
»Halt!«, rief Toklo. Der große Grizzly hatte seine Ohren aufgestellt und
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