Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
Ujurak verriet, dass sie das für keine aussichtsreiche Idee hielt, aber sie sagte nichts.
»Jedenfalls können wir hier nicht einfach nur rumstehen«, erklärte Lusa entschlossen. »Lassen wir’s auf einen Versuch ankommen.«
Toklo betrat zögernd das Eis, legte dann aber immer mehr an Tempo zu, je näher er den Robben kam. Lusa rannte ihm nach. Ujurak warf Kallik einen unsicheren Blick zu, dann folgte er den anderen.
Doch natürlich wurden die Robben auf die Bären aufmerksam, noch lange bevor diese die ersten Atemlöcher erreicht hatten. Sofort begannen sie sich über das Eis zu wälzen, um durch die Löcher in die Sicherheit des Meeres zu gelangen. Es gab einfach zu viele Löcher, als dass die Bären die Robben hätten aufhalten können. Ujurak spürte ihre Panik.
»Dummköpfe!«, brüllte Toklo und blieb verärgert stehen. »Wir wollen euch doch nur helfen!«
»Sie begreifen es nicht«, keuchte Lusa.
Kissimi quiekte vor Aufregung, als Kallik über das Eis jagte und einer Robbe den Weg zum Atemloch abzuschneiden versuchte. Doch die Robbe flutschte an ihr vorbei, kaum eine Schnauzenlänge von Kalliks ausgestreckten Klauen entfernt. Voller Angst schlug sie mit dem Schwanz aus, bevor sie im Loch verschwand.
Lusa stürmte mitten hinein in eine Gruppe von Robben und versuchte, sie zähnefletschend in die Richtung der neuen Bucht zu drängen, aber die Robben stoben nur in wilder Panik auseinander. Lusa verlor dabei auf dem glatten Eis das Gleichgewicht und landete unsanft auf ihrem Hinterteil.
»Warum tun sie nicht, was wir von ihnen wollen?«, beklagte sie sich.
Ujurak hörte ein angsterfülltes Kreischen hinter sich und sah, dass Toklo sich auf eine der Robben geworfen hatte, die schlaff unter seinen Krallen lag, die Augen glasig vor Entsetzen. Toklo war drauf und dran, seine Zähne in ihren Hals zu schlagen.
»Nein, Toklo!«, schrie Ujurak. »Wir sind nicht auf der Jagd! Die Robben sind vergiftet!«
Vor Wut fauchend, ließ Toklo von der Robbe ab. Das verängstigte Geschöpf lag für einen Moment reglos da, dann machte es sich so schnell es ging davon und warf sich ins nächste Atemloch.
»Das ist doch alles total verrückt«, brummte Toklo. »Robben sind Beute.«
»Nicht diese Robben«, rief Lusa ihm in Erinnerung.
Mit einem Blick in die Runde stellte Ujurak fest, dass fast alle Robben bereits verschwunden und auch die übrigen auf dem Weg zum nächsten Loch waren. Die Idee, eine Treibjagd zu veranstalten, hatte nicht funktioniert.
»Was machen wir jetzt?«, keuchte Kallik.
Lusa schüttelte traurig den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«
»Es war sowieso ein blöder Plan.« Toklo blickte wütend auf das Atemloch, in dem seine Robbe verschwunden war. »Wir hätten sie niemals den ganzen Weg bis zu der anderen Bucht vor uns hertreiben können.«
»Wenn sie auf dem Eis geblieben wären, dann schon«, hielt Kallik ihm entgegen.
Während Ujurak dem Gezanke seiner Freunde zuhörte, wurde ihm klar, dass es nur einen Ausweg gab. Er stieß ein tiefes Seufzen aus. »Ich weiß, was zu tun ist«, sagte er widerwillig.
Während er auf eines der Atemlöcher zuging, fühlte er, wie sein Fell sich zurückbildete, bis sein ganzer Körper von einer glatten grauen Haut bedeckt war. Seine Beine verwandelten sich in Flossen. Am Loch angelangt, hatte er die Gestalt einer Robbe angenommen.
Als er ins Wasser hinabglitt, schreckte er eine andere Robbe auf, die ihm hastig auswich. Ohne sie zunächst weiter zu beachten, ließ Ujurak sich etwas Wasser durchs Maul laufen und nahm sofort den üblen Geschmack wahr. Er sah deutlich, wie trübe das Wasser von dem aus dem Rohr sickernden Gift war.
Das ist ja ekelhaft, dachte er. Warum bloß sind die Robben nicht schon längst von hier fort? Sie müssen unbedingt von der schönen, sauberen Bucht erfahren. Sie ist ja gar nicht so weit weg. Hoffnung keimte in ihm auf. Es ist so offensichtlich, dass sie umziehen müssen. Vielleicht wird die Aufgabe doch leichter als gedacht.
Ujurak mischte sich unter die Robben, die im Wasser schwebten, ähnlich den Gestalten, die ihn in seinem Traum umschwirrt hatten. Allesamt starrten sie ihn mit ernsten Blicken aus ihren Schnurrhaargesichtern an.
Ich verstehe nicht, wie sie mich als Fremden erkennen können, wunderte er sich, denn er selbst hatte Mühe, eine Robbe von der anderen zu unterscheiden.
Doch als er dann die einzelnen Gruppenmitglieder näher in Augenschein nahm, stellte er fest, dass sie eben doch nicht alle gleich aussahen. Die eine
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