Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
den hinkenden Ochsen von seiner Herde abzuschneiden. Illa war als Erste bei ihm und richtete sich auf, um ihm ihre Krallen in die Schulter zu schlagen.
Der Ochse bäumte sich halb auf, dann warf er sich herum, wollte fliehen, stieß jedoch mit Unalaq zusammen. Der große Eisbär sprang ihn an, gleich dahinter kam Toklo, und gemeinsam gelang es ihnen, den Ochsen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wild ausschlagend fiel er zu Boden. Ujurak und Illa stürzten sich sogleich auf sein Hinterteil, um ihn niederzuhalten. Keuchend kamen jetzt Lusa und Tunerq heran, packten seine Vorderläufe, während Toklo das Tier mit einem gewaltigen Hieb zur Strecke brachte. Es zuckte noch einmal kurz, dann lag es reglos da.
»Das war toll!«, rief Illa begeistert. »Hier gibt’s genug Beute, dass alle Bären satt werden!«
Unalaq war bereits dabei, seine Zähne in die Schulter des Ochsen zu schlagen, und riss sich einen riesigen Bissen Fleisch heraus. Toklo verkniff sich ein missbilligendes Knurren. Für eine kurze Zeit hatte er Seite an Seite mit dem großen Eisbären gejagt und dabei durchaus so etwas wie Kameradschaft empfunden. Unalaq war ein guter Jäger.
Aber er ist und bleibt eine Nervensäge, dachte Toklo, während er zusah, wie Unalaq sich gierig über den Ochsen hermachte.
»Fresst«, forderte Ujurak auch Illa und Tunerq auf. »Die Reste könnt ihr dann Aga und den anderen bringen.«
»Und jetzt, wo ihr wisst, wie es geht, könnt ihr jederzeit wieder auf die Jagd gehen«, ergänzte Lusa zufrieden. »Ihr werdet ausreichend Beute haben, bis die Robben wieder gesund sind.«
Tunerq neigte ehrerbietig den Kopf. »Habt Dank, ihr alle. Das werden wir euch nicht vergessen.«
Toklo und seine Freunde warteten, bis die Eisbären sich von dem Ochsen genommen hatten, was sie fressen und was sie tragen konnten. Dann verabschiedeten sie sich.
»War das jetzt die Aufgabe, die wir erfüllen sollten?«, fragte Lusa, während sie ihnen nachblickten. »Die Robben umzusiedeln und den Eisbären beizubringen, andere Beute zu jagen?«
Schweigend sah Ujurak zu, wie Unalaq und die anderen hinter der Hügelkuppe verschwanden. »Das glaube ich nicht«, antwortete er schließlich. »Was wir getan haben, war wichtig, aber es reicht nicht aus, um die Seelen zurückzubringen. Dazu gehört noch viel mehr.«
14. KAPITEL
Kallik
Es war noch dunkel, als Kallik vorsichtig, um ihre Freunde nicht zu wecken, aus der Höhle kroch. Doch als sie sich dem Treffpunkt näherte, spiegelte sich bereits blasses Dämmerlicht auf dem eisbedeckten Fluss. Von Yakone war nichts zu sehen, keine Tatzenspuren fanden sich im frischen Schnee. Kallik vermutete, dass die Eisbären erst abwarten wollten, bis die Robben sich von dem Gift erholt hatten, bevor sie ihre Höhlen in diesen Teil der Insel verlegten.
»Warte hier auf mich, mein Kleiner«, raunte sie Kissimi zu, während sie einen Hohlraum in den Schnee grub, in dem das Junge sich verstecken konnte. »Du musst dich aber ganz still verhalten.«
Kissimi nickte, als er von Kalliks Schulter kletterte und sich in das Loch kuschelte. Er war stiller als sonst, bemerkte Kallik. Müde ließ er den Kopf hängen und wirkte magerer denn je.
Robbenfett und vorgekauten Fisch zu fressen, bekommt ihm nicht gut, musste sich Kallik eingestehen. Er braucht Milch. Die Erkenntnis brach sich aus ihrem tiefsten Innern heraus Bahn, und doch versuchte sie mit aller Macht, sie gleich wieder zurückzudrängen. Ich liebe ihn so sehr, ich muss es doch schaffen, ihn zu versorgen. Wenn er älter ist und keine Milch mehr braucht, wird’s ihm besser gehen. Bis dahin müssen wir einfach durchhalten.
»Kallik!«
Kallik zuckte zusammen, als sie Yakones Stimme hörte. Sie hob den Kopf und sah den jungen Bären weiter oben auf der Klippe stehen und zu ihr herunterblicken. Unauffällig schob sie eine Ladung Schnee vor Kissimis Höhle, um ihn vor Yakones Blicken zu verbergen.
»He! Kalt!«, protestierte Kissimi.
»Du musst jetzt ganz still sein«, zischte Kallik ihm zu. »Ich komme bald wieder und hole dich.«
Überzeugt, dass das Junge gut versteckt war, sprang sie davon, um am Rande des Strandes mit Yakone zusammenzutreffen. Der Jungbär starrte mit glänzenden Augen über die gefrorene Bucht, das Maul weit offen vor Staunen.
Seinem Blick folgend, erkannte Kallik mehrere dunkle Flecken auf dem Eis. Weitere Atemlöcher waren entstanden, seit sie und die anderen die Bucht entdeckt hatten. Sie konnte sogar, weit ab von der Küste, eine oder zwei
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