Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
bilden. Ich werde euch anführen und zeigen, wie es geht.« Den Kopf respektvoll vor der alten Bärin neigend, fügte er hinzu: »Mit deiner Erlaubnis, Aga.«
Eine Berührung an der Schulter ließ Kallik zusammenzucken. Völlig in Gedanken an Kissimi versunken, hatte sie nicht bemerkt, dass Yakone leise neben sie getreten war. Obwohl sie sich freute, den Bären mit dem rötlichen Pelz zu sehen, fiel es ihr doch schwer, sich auf etwas anderes als ihr Junges zu konzentrieren.
Sie gab sich einen Ruck und wandte sich Yakone zu. »Es ist schön, dass du dich wieder besser fühlst, jetzt, wo –«
Sie wurde von einer wütenden Bemerkung Unalaqs unterbrochen, der gleich darauf eine scharfe Zurechtweisung durch Aga folgte.
Yakones Augen funkelten vor Belustigung. »Manchmal weiß Unalaq einfach nicht, wann er besser sein Maul halten sollte!«
»Wenigstens hört er auf Aga«, erwiderte Kallik.
Das Funkeln verschwand aus Yakones Blick und er schüttelte zögerlich den Kopf. »Ich weiß nicht genau, wie lange Aga noch das Kommando haben wird«, sagte er. »Sie wird alt und gebrechlich, gebrechlicher als alle anderen Bären auf der Insel. Vielleicht möchte sie auch gar nicht mehr Anführerin sein, jetzt, wo die Weissagung über Tungulria eingetroffen ist.«
»Das verstehe ich nicht.« Kallik konnte nicht verhehlen, wie seltsam sie das alles fand. »Hat Aga wirklich auf Lusas Kommen gewartet?«
Statt einer Antwort deutete Yakone mit dem Kopf zur Seite. Sie verließen die anderen Bären und begaben sich ein Stück den Hügel hinauf. Der schneebedeckte Hang erstreckte sich bis zum Klippenrand, der die vergiftete Bucht umschloss. Inzwischen war es dunkel geworden. Einige Lichter flimmerten im Höhlengebiet der Krallenlosen, und die Sterne funkelten am Himmel, wenn auch weiterhin nichts von den tanzenden Seelen zu sehen war.
»Es ist schon seltsam«, meinte Yakone nachdenklich. »Eisbären haben seit eh und je Robben gefressen. Die Vorstellung, dass sie uns krank gemacht haben, fällt schwer.«
Kallik nickte verständnisvoll. Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter ihr und Taqqiq beigebracht hatte, neben dem Atemloch auszuharren, bis eine Robbe auftauchte. Keiner von ihnen hätte sich je träumen lassen, dass Robbenfleisch verdorben sein könnte.
»Wir Eisbären sind jetzt schon eine ganze Weile krank gewesen«, fuhr Yakone fort. »Seit der Zeit, als die Krallenlosen auf die Insel kamen. Anfangs dachten wir, die Krankheit sei ein Fluch der Iqniq, zur Strafe, weil wir die Krallenlosen nicht verjagt hatten.«
»Aber ihr hättet es gar nicht geschafft, sie zu verjagen.« Mitfühlend berührte Kallik das junge Männchen mit der Schnauze. »Die Krallenlosen machen, was sie wollen.«
Yakone nickte. »Und dann hatte Aga diesen Traum«, erklärte er. »Die Iqniq kamen herunter auf die Erde und sagten ihr, wir müssten auf Tungulria, eine Schwarzbärin, warten. Sie käme, um uns zu retten.« Ein tiefer Seufzer entfuhr Yakones Brust. »Nicht viele von uns haben ihr geglaubt«, gestand er.
»Das kann ich verstehen. Ich nehme nicht an, dass irgendjemand von euch jemals schon einen Schwarzbären gesehen hatte!«
»Nein, keiner«, bestätigte Yakone. »Ich konnte es nicht fassen, als ich euch vier übers Eis kommen sah.« Er zögerte, dann fragte er: »Hat Tungulria auch vorher schon besondere Dinge getan?«
Kallik sah ihn an und wusste nicht, was sie antworten sollte. In gewisser Weise war ja ihre ganze Reise etwas Besonderes gewesen. Ich ziehe mit Schwarz- und Braunbären durch die Gegend, damit fängt es schon mal an! Aber das war es vermutlich nicht, worauf Yakone hinauswollte.
»Ich glaube, wir sind alle aus einem bestimmten Grund hergekommen«, antwortete sie nachdenklich. »Die Robben umzusiedeln gehörte dazu. Vielleicht hat jeder von uns seine Bestimmung.«
Könnte es meine Bestimmung sein, Kissimis Mutter zu werden?, überlegte sie. Freude, aber auch Furcht überkamen sie. Könnte ich wirklich genauso für Kissimi sorgen, wie Nisa für mich gesorgt hat?
»Wie habt ihr vier euch eigentlich kennengelernt?«, wollte Yakone wissen.
Kallik blickte ihm in die Augen und fand dort nichts als ehrliche Neugier. Sie war selbst überrascht, als sie feststellte, dass ihr der junge Eisbär gefiel. Er ist nett und man kann gut mit ihm reden.
Doch sie wollte ihm auch nicht alles erzählen. Bestimmt hielt er sie für eine seltsame Bärin, wenn er hörte, dass sie den ganzen Weg auf sich genommen hatte, um die Seele ihrer Mutter zu
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