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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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wär’s, wenn mir zwei a klois Spaziergängle mache tätet? I würd Ihne dann unser Städtle zeige und die arm Doro ka sich in aller Ruh a bitzle nalege. Gell, Doro, des tät dir beschtimmt guat! Du siehsch nämlich ziemlich fertig aus, wenn i des so offe sage darf.« Sie verzieht das Gesicht und nimmt dabei meine Hand. »It bös sei, du woisch doch, wie’s gmoint isch.«
    »Das ist ja so was von rücksichtsvoll von dir«, sage ich lächelnd und überlege, ob ich mildernde Umstände bekomme, falls ich jetzt die Schnapsflasche nach ihr werfe. Allerdings erledigt sich diese Frage von selbst, weil Wolfgang auftaucht, mit vorwurfsvollem Blick die Flasche an sich nimmt und meint: »Sagt mal, ihr habt ja ganz schön zugelangt.« Kopfschüttelnd stellt er die Flasche zurück in den Schrank, ignoriert das genervte Kopfschütteln Renates und tippt auf seine Armbanduhr.
    »Was ist jetzt mit Papa?«, frage ich besorgt. »Kann ich denn irgendwas machen? Sollten wir nicht doch wenigstens den Hausarzt anrufen? Ist Papa immer noch bei Doktor ...«
    »Nein, nein, auf keinen Fall!«, ruft Wolfgang, und Renate fügt schnell hinzu: »Doro, des wär des Verkehrteschte, was ma tua könnt. Er ka koi Aufregung vertrage und wenn der Dokter kommt, dann regt en des bloß no mehr auf. Des verschtoht ma doch gut, des goht uns gsunde Leit au it andersch. Was moinsch, wia bei mir dr Bluatdruck steigt, wenn i dr Dokter scho von Weitem seh. Lass den Papa also oifach schlafe. Nach unsrer Erfahrung roicht’s, dass jemand bei ihm im Haus isch.«
    »Sag ich doch!« Mein Bruder tippt schon wieder auf die Uhr. »Und jetzt auf zum Baumarkt! Der Balkon hinten raus wird auch noch gemacht. Zu dem Preis krieg ich diese italienischen Fliesen nie wieder.«
    »Aber mir solltet doch no ... Wolfgang, mir könnet doch Doro it den Abwasch alloi mache lasse!«, ruft Renate ihm nach, aber das scheint er nicht gehört zu haben. Mehr zu sich selbst sagt sie halblaut: »Zumindest abräume müsstet mir scho no.«
    Sie wirft mir einen fragenden Blick zu, und ich beruhige sie: »Nein, nein, alles in Ordnung, geh ruhig. Wir kriegen das schon hin.« Das
wir
betone ich mehr als deutlich. Hätte ich mir aber sparen können, denn bei Rudolf sind im Moment sämtliche Sinnesorgane mit Moni beschäftigt. Er merkt gar nicht, wie lächerlich er dabei wirkt.
    »Also denn«, murmelt Renate. Sie holt tief Luft und drückt mich völlig überraschend an sich. »Doro, mir tätet uns freie, wenn ihr uns morge besuche tätet. Dr Wolfgang hot sich extra a paar Tag freignomma. Dann kennt ma auch alles bespreche. Du weisch scho, gell!«
    Ich habe zwar keine Ahnung, was es zu besprechen gibt, aber weil sie mich so beschwörend anschaut, nicke ich schließlich.
    Rudolf ist für einen kurzen Moment geistig wieder anwesend und meint: »Gerne, wir kommen wirklich gerne. Am liebsten zum Kaffee, wenn es dir recht wäre.«
    »Des kommt gar it in Frog«, meint meine Schwägerin. »Ihr werret doch beschtimmt zum Mittagesse komme. Rudolf, wenn du mir etzt au glei no sagsch, was du alles it esse darfsch ... Saure Kuttle kennt i abr au mache ... Au weia, i glaub, i muss, der Wolfgang wird demnächscht ugeduldig.«
    Wenn dieses Hupkonzert, das mein Bruder gerade auf der Straße veranstaltet, bedeutet, dass er
demnächst ungeduldig
wird, dann möchte ich lieber nicht wissen, was ist, wenn er tatsächlich einmal die Nerven verliert. Hastig greift Renate nach ihrer Handtasche und rennt los. Zu dritt stehen wir an der Haustür und winken den beiden nach. Netterweise hat Rudolf den Arm um mich gelegt und nicht um Moni, die sich bei ihm eingehakt hat und ihn inzwischen ganz ungeniert beim Vornamen nennt.
    Träumt nicht fast jeder Mann von einer netten kleinen Dreierbeziehung, vorausgesetzt, sie besteht aus ihm und zwei Frauen?, überlege ich und mustere ihn unauffällig. Er steht kerzengerade da, ein Zeichen, dass er die Tragweite der Situation erkannt hat. Denn leider muss er um jeden Höhenzentimeter kämpfen. Ein Meter zweiundsiebzig steht in seinem Pass, aber ich bin mir sicher, das war einmal, und das war auch damals schon geschönt. Moni reicht ihm nur bis zum Ohr, trotz ihrer hohen Absätze, das findet ein kleiner Mann wie er doch bestimmt sehr vorteilhaft.
    Stopp! Schluss jetzt!, befehle ich mir, mach dich nicht verrückt! In drei Tagen spätestens sind wir wieder zurück in Berlin, und ich kann mir gut vorstellen, wie Rudolf beim nächsten Essen mit Freunden von
dieser ungeheuer aufdringlichen

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