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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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ist doch eine Toilette.«
    Ich ziehe es vor, einfach mal zu schweigen, hake mich stattdessen bei ihm unter und nehme mir vor, jetzt endlich ernsthaft über den Beckenbodenkurs nachzudenken. Doch erst einmal höre ich zu, was Rudolf aus dem Reiseführer vorliest.
    »Hast du den gerade eben gekauft?«, unterbreche ich ihn.
    »Wen?«
    »Na, den Reiseführer?«
    »Von Moni ausgeliehen«, meint mein Herzallerliebster. »Sie interessiert sich übrigens für alles, was mit Kultur zu tun hat. Kann ich jetzt weiterlesen?«
    Ich nicke wortlos. Von Moni ausgeliehen! Aha! Bedeutet vermutlich, dass Rudolf bei ihr zu Hause war. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass sie gestern ganz zufällig einen Reiseführer in der Tasche hatte, als sie bei uns aufgekreuzt ist. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Rudolf und sie bis spätnachts vor ihrer Schrankwand standen und nach einem Reiseführer gesucht haben. Da fallen mir eher ganz andere Dinge ein. Seit wann interessiert Moni sich für Kultur? Das wäre ja das Neueste! Nur mit halbem Ohr höre ich zu, was Rudolf mir halblaut vorliest. Wir stehen auf dem Kirchplatz, hinter uns erhebt sich die mächtige Basilika. Ich lasse meinen Blick über die Altstadt schweifen, rotglänzende Dächer im Sonnenlicht, und plötzlich erklingt Orgelspiel. Wie benommen stehe ich da, lausche und auf einmal überfällt mich die Erinnerung. Eine Wanderung von Ravensburg nach Weingarten und zur Basilika hatte uns Frau Dobern, unsere Klassenlehrerin, versprochen. Uli und ich waren so aufgeregt, einen ganzen Tag lang würden wir uns sehen, unzertrennlich sein. Und bei der Besichtigung der Basilika (»So viel Kultur muss sein«, hatte Frau Dobern gemeint), beim Klang der berühmten Gabler-Orgel, habe ich Uli zugeflüstert: »Hier will ich einmal heiraten.«
    Das Orgelspiel verstummt, und ein Räuspern holt mich in die Gegenwart zurück.
    »Nun ja,«, meint Rudolf und klappt den Reiseführer zu. »Wir könnten dann so langsam weiter.«
    Bei inzwischen strahlendem Sonnenschein kreisen wir diverse Male um die Ravensburger Altstadt, für deren Schönheit Rudolf nun leider gar kein Auge hat. Im Gegenteil, er findet es in höchstem Maße unverantwortlich von Wolfgang und Renate, dass sie ausgerechnet in einer Stadt wohnen, in der Parkplätze anscheinend absolute Mangelware sind. Zwar habe ich meinem Herzallerliebsten schon vor einer halben Stunde gesagt, dass hier fast ausschließlich Bewohnerparken ist und deshalb ohne Parkhaus bestimmt nichts geht, doch er glaubt mir mal wieder nicht und dreht nun bereits die nächste Runde.
    »In Berlin finde ich auch immer einen Parkplatz, und das ist schließlich Hauptstadt«, knurrt er. Dann deutet er triumphierend nach vorn. »Na bitte, da, sieh mal. Ich hab’s doch gewusst, dass ich was finde. Parkhäuser sind außerdem viel zu teuer.«
    Ich weiß, dass es weniger ums Geld geht, sondern eher darum, dass er vor Parkhäusern einen ähnlichen Horror hat wie vor Aufzügen, und sage lieber mal gar nichts. Rudolf wird schon selbst merken, dass er gerade dabei ist, im absoluten Halteverbot einzuparken. Leider fällt es ihm erst auf, nachdem er mit viel Mühe das Auto so einigermaßen gerade hingestellt hat.
    Eine Viertelstunde später hat sich die Stimmung noch weiter verschlechtert. Erneut drehen wir eine Runde nach der anderen durch die schmalen Gassen der Altstadt, kurven ein ums andere Mal über den Marienplatz. Erst beim x-ten Mal stellen wir fest, dass hier eigentlich für Autos gesperrt ist, aber darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Und dann warten wir schließlich hoffnungsvoll in der glühenden Mittagshitze hinter einem Transporter, der mindestens drei Parkplätze blockiert.
    Irgendwann greife ich nach dem Reiseführer – dass er von Moni ist, übersehe ich für den Moment großzügig. »Hör mal, Rudolf, das klingt doch ganz interessant. Das neue Museum Humpis-Quartier ist eines der am besten erhaltenen mittelalterlichen Wohnquartiere in Süddeutschland. Zurückgehend bis ins elfte Jahrhundert …« Ich verstumme. Mittelalter scheint Rudolf wohl eher nicht zu interessieren, jedenfalls verzieht er keine Miene. Ich blättere weiter und entdecke doch tatsächlich etwas, was auch ihn begeistern müsste: »Hier! Das wär doch was! Vor kurzem erst eröffnet! Ein neues Kunstmuseum! Mit mehr als zweihundert Werken des Expressionismus und …« Ein kurzer Blick nach links und ich lasse das Buch sinken. Wie es aussieht, gibt es für Rudolf nur ein Thema:

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