Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
besser zu einem anderen Zeitpunkt fortsetze. Außerdem habe ich inzwischen leider noch ein ganz anderes Problem. Meine Blase meldet sich! Kein Wunder bei den Unmengen an Kaffee, die ich an diesem Morgen getrunken habe.
»Jetzt dreh endlich die verdammte Heizung ab!«, schimpft Rudolf.
»Aber selbstverständlich«, säusle ich, und weil ich weiß, wann genug ist, mache ich das auch. Immerhin sind meine Fingernägel jetzt absolut top. »Schatz, könnten wir kurz halten? Ich muss mal.«
»Jetzt? Bist du verrückt? Ich kann hier doch nicht anhalten!«
»Aber …«
»Doreen, hinter uns ist ein Porsche!«
Ich verdrehe nur die Augen. »Das ist mir so was von scheißegal. Du sollst auch nicht direkt auf der Straße halten.«
»Warum musst du auch immer so viel Kaffee trinken«, knurrt mein Herzallerliebster, der sich mit dem Porsche hinter uns gerade ein Rennen zu liefern scheint, und nimmt die nächste Kurve.
Wortlos klammere ich mich am Armaturenbrett fest und ärgere mich darüber, dass ich den Beckenbodenkurs schon nach dem zweiten Termin abgebrochen habe. Angeblich, so stand es zumindest in dem Flyer, den Yasemin mir mit vielsagender Miene auf den Schreibtisch gelegt hatte, soll der Beckenboden durch das Training zu einem Kraftzentrum für den ganzen Körper werden. »Dann musst du auch nicht mehr so oft pinkeln gehen«, hatte Yasemin angemerkt. »Wäre für unseren Büroalltag auch nicht so schlecht.«
»Wir suchen uns ein nettes Café«, schlägt mein Herzallerliebster vor, während ich die Zähne und noch einiges mehr zusammenpresse. Er beschleunigt, und im Seitenspiegel sehe ich, dass in dem Porsche hinter uns eine rothaarige Frau sitzt. Kein Wunder, dass Rudolf mal wieder alles gibt. »Doreen, nachher sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.«
»Ich muss aber nicht nachher, sondern jetzt!«, stoße ich hervor. »Wenn du nicht gleich irgendwo hältst …«
Ich könnte jetzt natürlich mit sofortiger Trennung drohen, falls er nicht stoppt. Aber weil ich mir nicht sicher bin, ob er darauf nicht gleich bereitwillig eingeht, halte ich lieber den Mund und konzentriere mich auf die Macht autosuggestiver Sätze: Du hältst durch! Du hältst durch! Du hältst durch! … Wie in Trance sehe ich die Hinweisschilder, nur noch fünf Kilometer bis Ravensburg. Ich werde bei der erstbesten roten Ampel aus dem Auto stürmen und …
Dass es aber dann doch nicht so weit kommt, habe ich der Porschefahrerin zu verdanken, die plötzlich an uns vorbeizieht. Rudolf atmet hörbar aus, und dann biegt er auch schon ab.
»Mir ist nämlich gerade eingefallen, dass wir in Weingarten die Basilika besichtigen könnten«, sagt mein Herzallerliebster und fährt noch rasch bei Dunkelgelb über die Ampel. »Moni hat mir gestern so davon vorgeschwärmt. Da wird doch wohl eine Toilette in der Nähe sein.«
Moni! Meine Retterin in der Not! Ich bin gerührt und beschließe, in der Basilika sofort eine Kerze für sie anzuzünden. Vorausgesetzt, ich schaffe es bis dorthin. Was allerdings schwierig wird, denn Rudolf ist gerade auf der Suche nach einem geeigneten Parkplatz. Und das kann dauern, ich weiß das aus Erfahrung!
»Hier!«, schlage ich vor und deute auf eine völlig unbelebte Bushaltestelle, aber Rudolf hat andere Pläne. Siegessicher biegt er zuerst rechts ab, dann links, und, tatsächlich, ein freier Parkplatz! Wie für uns gemacht!
»Bin gleich wieder hier!«, rufe ich, greife nach meiner Handtasche und renne los.
Dass mein Optimismus verfrüht war, stellt sich recht schnell heraus. Das Café unterhalb der Basilika hat ausgerechnet an diesem Vormittag wegen einer Familienfeier geschlossen, und in einem der Geschäfte in der Nähe nach einer Kundentoilette zu fragen, spare ich mir. Denn ich weiß aus leidvoller Erfahrung, damit geht wertvolle Zeit verloren. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich auf meinen phänomenalen siebten Sinn zu verlassen. Und darauf, dass ich die steile Treppe bezwinge, an deren Ende – so verheißt es das Schild – als Belohnung eine Toilette winkt.
Ich haste hoch, überhole einen Pulk schnatternder Touristen, aus Franken, wie man hört, und schnappe im Vorbeieilen noch einige Details über die Basilika auf, die ich allerdings sofort wieder vergesse. Nach Kultur steht mir nämlich der Sinn eher weniger!
»Warum bist du auch gleich losgerannt?«, meint Rudolf kopfschüttelnd, als wir uns nach einer guten Viertelstunde am Eingang zur Basilika treffen. »Unten bei der Touristeninformation
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