Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
der Küche. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn ich habe da so ein Gefühl. Zwar glaube ich nicht an Telepathie, aber so heftig, wie ich in dieser Nacht von Uli geträumt habe, weiß man ja nie. Und ohne Lesebrille ist jeder Versuch, die Nummer im Display zu entziffern, völlig zwecklos.
»Schön, dass man dich auch mal erreicht!«, höre ich Yasemin fröhlich rufen, und ich kann erst einmal beruhigt durchatmen. »Gestern Abend hab ich’s übrigens schon mal bei dir versucht. Aber du hast vermutlich was Besseres zu tun gehabt, als mit deiner allerliebsten Freundin zu telefonieren, du treulose Tomate.«
»Du warst das? Mit unterdrückter Nummer? Seit wann denn das?«, frage ich nach. Von wegen Rudolf! Hätte ich mir aber auch denken können. Wahrscheinlich war er viel zu beschäftigt mit Moni!
»Unterdrückte Nummer? War auch nicht mein Handy«, erwidert sie lachend. Ich musste mir das von Ben ausleihen, meins hatte ich nämlich vergessen. Ach so, das kannst du gar nicht wissen, ich war auf seiner Party, aber die war so was von öde. Du hast also nichts verpasst. Sag mal, was macht unser Schwabenländle? … Mist, bleib mal dran, hier kommt gerade auf der anderen Leitung ein Anruf.«
Sie scheint den Hörer beiseitegelegt zu haben, denn ich höre sie im Hintergrund unseren üblichen Spruch flöten: »
Creativa
, die Werbeagentur von Frauen für Frauen, Sie sprechen mit Yasemin Cemek, verraten Sie mir bitte, was ich für Sie tun kann?«
Und während sie mit dem gewohnten »Ja natürlich« und »Erledigen wir doch sofort« eine anscheinend sehr aufgebrachte Klientin (so nennen wir unsere Kundinnen) zu beruhigen versucht, sehe ich mich in der Küche um und stelle fest, dass die schwäbische Hausfrau auch nicht mehr das ist, was sie früher einmal war. Frau Blumer scheint ein ausgeprägtes Talent dafür zu besitzen, Unordnung zu schaffen: der Wischeimer mitten in der Küche, auf dem Tisch sehr dekorativ Kittelschürze, Glasreiniger und Staubtuch, daneben ein Einkaufszettel.
Mein Handy zwischen Ohr und Schulter gepresst, räume ich schon mal die Spülmaschine aus (Yasemin beteuert inzwischen, dass bei dem Projekt wirklich alles in trockenen Tüchern sei), leere den Wischeimer aus und hänge schließlich die entzückende Kittelschürze (hellblau, mit dunklen Paspeln, Modell sechziger Jahre) in den Besenschrank. Altkleidersammlung wäre vermutlich sinnvoller, denke ich, vor allem, als ich das eingenähte Wäscheetikett entdecke:
Eigentum der Laienspielgruppe Zollenreute
. Na ja, ich will nicht zu hart urteilen, wer weiß, auf welch verschlungenen Wegen Frau Blumer zu diesem guten Stück gekommen ist, womöglich hängen ja sentimentale Erinnerungen daran.
»Bist du noch da?« Yasemin, völlig atemlos, brüllt mir ins Ohr. »Puh, das war vielleicht ’ne Kuh gerade eben! Unser Job könnte so schön sein, wenn nicht die blöden Kundinnen wären. Sorry, ich meinte natürlich Klientinnen. Hahaha! Übrigens bin ich sicher, der Laden hier geht demnächst pleite, jede Wette. Von Mara hab ich nämlich seit Tagen nichts mehr gehört und gesehen. Nicht, dass ich sie vermisse … Aber ich finde, dass es ein schlechtes Zeichen ist. Bist du noch dran? Doreen? Jetzt sag du doch auch mal was.«
»Eigentlich heißt das doch überhaupt nichts«, beruhige ich sie halbherzig und genehmige mir noch eine Tasse Kaffee. Sicherlich ist es ein schlechtes Zeichen, wenn unsere Chefin sich plötzlich nicht mehr blicken lässt, aber andererseits hat Yasemin auch eine sehr dramatische Ader und sieht regelmäßig Katastrophen, wo maximal Kataströphchen sind. Wenn überhaupt. Vermutlich ist wieder mal alles halb so schlimm. Ich würde nämlich gern meinen Job bei
Creativa
behalten, der erste, der mir richtig Spaß macht und auch noch einiges an Geld bringt.
»Doch, doch, ich hab das so im Gefühl«, beharrt sie mit düsterer Stimme. »Da kannst du mir sagen, was du willst. Und was macht dein Traummann? Rudolf lebt bestimmt richtig auf. Bei den vielen knackigen Weibern im Schwoabeländle. Und die werden angeblich auch besonders gern geheiratet, ehrlich, da gibt es sogar eine Statistik darüber. Wenn du willst, kann ich sie dir mal raussuchen und …«
»Danke! Es reicht!« Ich mag Yasemin wirklich, aber in manchen Dingen geht sie mir gewaltig auf die Nerven. Denn leider neigt sie dazu, sich als
die
Expertin zu sehen für alles, was auch nur entfernt mit Schwäbischem zu tun hat. Wobei ihre einzige Qualifikation darin besteht, dass sie ihre
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