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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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Parkplatz!
    »Irgendwann muss er ja wegfahren«, murmelt der Mann an meiner Seite und trommelt ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad. »Es ist alles nur eine Frage der Zeit.«
    Leider überlegt der Fahrer es sich dann doch anders. Mit einer Zigarette in der Hand klettert er aus dem Fahrerhaus und winkt nur lässig ab, als Rudolf flehentlich ruft: »Könnten Sie jetzt endlich die Parkplätze freigeben!«
    Wir sind gerade drei Straßen weiter, da klingelt Rudolfs Handy, und ich vermute natürlich sofort, dass es sich um Moni handelt. »Willst du nicht abnehmen?«, frage ich mit falschem Lächeln und halte ihm das Handy hin, aber Rudolf kneift verbissen die Lippen zusammen. Er ist gerade damit beschäftigt, sein Glück in einer Parklücke zu versuchen, in die vielleicht ein japanischer Kleinstwagen passen würde. Maximal. »Vielleicht sollte ich drangehen, könnte ja Ramón sein«, schlage ich mit honigsüßer Stimme vor, »mit neusten Neuigkeiten aus der Galerie.«
    Unvermittelt reißt Rudolf mir das Telefon aus der Hand, wirft es nach hinten auf den Rücksitz. Er ist mit den Nerven völlig fertig, eindeutig. Von Sekunde zu Sekunde wird mir klarer: Es ist allerhöchste Zeit, dass ich etwas unternehme. Und ich besinne mich auf meine ausgeprägten diplomatischen Fähigkeiten, die mir nicht nur in
einem
Arbeitszeugnis bestätigt wurden. Bei
Chesa Donna, der
Edelboutique in Berlin-Mitte zum Beispiel, habe ich es immerhin geschafft, die Bodyguards der Frau des honduranischen Botschafters zu besänftigen. Angeblich war nämlich ihr Büstenhalter aus der Umkleidekabine gestohlen worden, und ich als 400-Euro-Aushilfskraft durfte drei Muskelpakete davon abhalten, den ganzen Laden auseinanderzunehmen, während die Chefin hinter dem Tresen kauerte und die 110 anrief. Verglichen mit der Situation damals (die Bodyguards waren bewaffnet, was zwar illegal, aber eine Tatsache war), dürfte das mit Rudolf jetzt ein Kinderspiel sein, und ich säusle: »Liebster, was hältst du davon, wenn wir erst nach dem Mittagessen bei Wolfgang und Renate aufkreuzen?«
    Leider ist Rudolf inzwischen zu keiner normalen Kommunikation mehr fähig, denn auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat eine junge Frau (blond! SUV! Drei Kleinkinder auf dem Rücksitz!) doch tatsächlich den einzigen freien Parkplatz weit und breit souverän erobert, während wir …
    »Oh, sieh mal, da drüben, dieses entzückende französische Lokal!«, rufe ich mit viel Begeisterung in der Stimme und deute mit meiner Rechten (sehr elegantes Nagelrot, stelle ich zufrieden fest) nach vorn. »Was hältst du von einem gepflegten Rotwein?«
    »Nichts!«
    Ich seufze. »Du weißt aber, Liebster, dass es bei Renate heute wieder Kartoffelsalat und Leberkäs gibt? Sie hat den größten Teil gestern noch mitgenommen und meinte, vielleicht würdest du es dir mit dem Leberkäs doch noch mal überlegen. Mit einem guten Roten vorher siehst du das bestimmt entspannter, meinst du nicht?«
    Rudolf bremst so unvermittelt, dass hinter uns sofort wütend gehupt wird. »Wo war das Lokal?«
    »Wir sind gerade daran vorbeigefahren, das Haus auf der linken Seite, das mit der grünen Markise. Weißt du was? Lass mich das Auto ins Parkhaus bringen, und du gehst inzwischen schon mal rein und besetzt einen Tisch.« Ich setze mein Sie-sind-zwar-ein-schwieriger-Kunde-aber-ich-kriege-Sieschon-Lächeln auf und füge hinzu: »Mittags ist dort immer die Hölle los. Kein Wunder, es handelt sich um ein exquisites Feinschmeckerrestaurant.« Was nun völlig aus der Luft gegriffen ist, aber prompt wirkt, denn Rudolfs Miene hellt sich schlagartig auf.
    »Dann bestell ich schon mal!«, ruft er beim Aussteigen und spreizt Zeige- und Mittelfinger zum Siegeszeichen. »Findest du den Weg?«
    Ich nicke lässig, klettere auf den Fahrersitz hinüber und will schon Gas geben, da reißt Rudolf die hintere Tür auf und greift nach seinem Handy. Himmel! Das hätte ich gern verhindert, aber dazu ist es jetzt leider zu spät.
    Bis zum Parkhaus am Untertor ist es gerade mal ein Katzensprung, und innerhalb weniger Minuten habe ich Papas Auto abgestellt und mich im Schminkspiegel vergewissert, dass ich eigentlich ziemlich hinreißend aussehe, vor allem, seitdem ich wieder mit Lidstrich arbeite. So ist es auch kein Wunder, dass ich allerbester Laune bin, als ich mich auf den Weg zu
Chez Maurice
mache, wo ein hoffentlich gutgelaunter Rudolf auf mich wartet, zusammen mit einem Jahrhundert-Rotwein.
    Den kurzen Weg zum Lokal nutze

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