Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
willst, erzähle ich Moni von deinen Ängsten. Nur vorsichtshalber; damit sie auf keinen Fall blöd lacht, wenn sie dich in der Badehose sieht.« Ich halte die Luft an. Einen Moment lang befürchte ich schon, es ein wenig überreizt zu haben.
Aber dann meint Rudolf: »Wahrscheinlich hast du prinzipiell schon recht, gegen Ängste sollte man angehen. Ich sage das ja auch immer. Aber gerade heute fühle ich mich gar nicht danach.«
»In Ordnung, Liebling. Es hätte mir zwar sehr viel bedeutet, Jugenderinnerungen, wie du dir vorstellen kannst. Aber wegen dir verzichte ich natürlich gern«, entgegne ich mit falschem Lächeln und sehr viel Verständnis in der Stimme.
»Ist das ein großes Opfer für dich?«
»Ja, eigentlich schon«, sage ich nach kurzem Nachdenken. »Aber mach dir keine Gedanken, ich verkrafte es irgendwie.«
»Statt Freibad könnten wir zwei doch endlich mal einen gemütlichen Tag im Garten verbringen«, schlägt Rudolf vor und legt den Arm um mich. »Ohne Besucher und so. Wir beide ganz allein. Als krönender Abschluss, wenn du so willst.«
»Abschluss?«, frage ich nach. »Wie meinst du das?«
Ganz überraschend stellt sich heraus, dass mein Herzallerliebster überhaupt keine Einwände mehr hat, nach Berlin zurückzufahren, im Gegenteil. Plötzlich hält sogar er das Risiko, mit Papas Auto unterwegs liegenzubleiben, eher für gering.
»Egal, was Gerhard behauptet, ich halte es für eine unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeit«, erklärt er mir.
Eine tiefe Erleichterung macht sich in mir breit. Alles wird gut, denn morgen fahren wir zurück. Den restlichen Urlaub werde ich mich ausschließlich um Rudolf kümmern, wir können Fahrradtouren unternehmen, endlich einmal ausschlafen, ins Kino gehen und ... Das Telefon unterbricht meine angenehmen Tagträume, und ich springe auf. Aber Rudolf war schneller, er hat bereits abgenommen, als ich ins Wohnzimmer komme.
»Alfons Bäuerle«, flüstert er mir zu, als er mir den Hörer hinhält.
Ich atme erleichtert auf, denn insgeheim habe ich doch einen weiteren Anruf von Moni befürchtet.
»Mir tätet gern den Karle mit zum Schlossfescht nemma!«, ruft Herr Bäuerle so laut, dass ich den Hörer ein Stück vom Ohr weghalten muss. »Kenntet Sie ihn zum Schloss rabringa? Den Rollstuhl braucht er it, den kriegt er do vom Rote Kreuz. Und mir sorget heit Abend dafür, dass er wiedr hoil hoimkommt.«
Ich bin mir unschlüssig, ob das Schlossfest für Papa wirklich das Richtige ist, aber Herr Bäuerle lässt nicht locker. Mein Vater brauche Anregungen, deshalb komme er mit seinem Bruder auch regelmäßig zum Kartenspielen, und beim Schlossfest würde Papa sicher viele alte Freunde treffen.
»Des isch dann au was Positives für ihn. Und außerdem: Dr Josef und i sind ja au no dabei. Do müsset Sie sich überhaupt koine Sorga macha. Und jetzt les i amol vor, was do heit alles gebote isch.«
Während Herr Bäuerle vorliest (hochdeutsch) und kommentiert (schwäbisch), klingelt in meiner Hosentasche Rudolfs Handy. Ich zerre an meiner Lesebrille, die sich in meinen Haaren verfangen hat, lese
Moni
auf dem Display und drücke mit einem bösen Lächeln den Anruf weg.
»Ibrigens hend mir des mit Ihrem Vadder au scho längscht ausgmacht.«
»Herr Bäuerle«, sage ich, »ich gebe mich geschlagen.«
10. Kapitel
Ich fahre Papa zum Schloss. Rudolf hat zwar angeboten, das zu übernehmen, aber ich habe dann doch dankend abgelehnt. Die Gefahr ist zwar gering, dass er unterwegs Moni begegnet – ich bin mir sicher, sie liegt längst am Steegersee –, aber Vorsicht schadet trotzdem nicht. Deshalb habe ich nicht nur mein Handy mitgenommen, sondern auch Rudolfs, und eines der beiden klingelt jetzt dermaßen penetrant in meiner Handtasche auf dem Rücksitz, dass Papa unruhig wird.
»Willst du nicht abnehmen?«, fragt er.
Erstaunt sehe ich ihn an. Seine Stimme klingt wie früher. Anscheinend beflügelt ihn die Aussicht, die nächsten Stunden auf dem Schlossfest zu verbringen.
»Willst du nicht endlich abnehmen?«, wiederholt er.
»Papa, wenn ich Auto fahre, kann ich nicht telefonieren«, erwidere ich. »Außerdem sind wir sowieso gleich da.«
Es klingelt und klingelt, und ich grinse in mich hinein. Aber irgendwann gibt auch Moni auf, und ich kann in aller Ruhe einen Parkplatz suchen, was sich allerdings an diesem Samstagnachmittag als ausgesprochen schwierig herausstellt, die ganze Stadt ist auf den Beinen. Ich kurve reichlich ziellos herum (unklug, dass ich mit Herrn Bäuerle
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