Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
Vom Netzwerk:
nur einen ungefähren Treffpunkt ausgemacht habe) und bin schließlich fast so weit aufzugeben, da entdeckt Papa die beiden Bäuerles vor der Metzgerei in der Bachstraße. Jetzt klappt alles wie am Schnürchen, ein Rollstuhl für Papa steht schon bereit, Josef und Alfons helfen ihm beim Aussteigen, und mir bleibt nur noch, den drei vergnügten älteren Herren einen wunderschönen Tag zu wünschen.
    Papa wird die Abwechslung auf jeden Fall guttun, denke ich, als ich gut gelaunt zurückfahre. Es dauert dann allerdings etwas länger, bis ich wieder zu Hause bin. Denn ich will noch ein paar Sachen einkaufen, Champagner zum Beispiel. Ich finde nämlich, Rudolf und ich sollten den heutigen Tag genießen. Es war übrigens nicht Moni, die angerufen hat, sehe ich auf dem Display, als ich vor dem Supermarkt anhalte; es war Ramón. Kurzzeitig habe ich sogar fast ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht abgenommen habe. Denn wer weiß, welche Katastrophe sich in der Galerie ereignet hat.
    Aber als ich wenig später mit Champagner und diversen anderen Delikatessen wieder ins Auto steige, bin ich mit mir völlig im Reinen. Diesen Tag lassen Rudolf und ich uns von nichts und niemandem verderben!
    Mich hätte eigentlich stutzig machen müssen, welche Mühe sich das Ehepaar Stützle heute gibt. Meistens begnügt sich einer von beiden damit, im Garten oder auf der Straße herumzustehen, Besen oder ein ähnliches Utensil in der Hand, und darauf zu lauern, ob sich irgendwo etwas ereignet, was genaueres Nachforschen nötig macht. Ich vermute, dass die Einbruchsstatistik in Aulendorf ihre günstigen Zahlen ausschließlich Stützles verdankt; jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass ihnen auch nur die kleinste Kleinigkeit entgeht.
    An diesem Nachmittag scheint sich Sensationelles anzubahnen, wenn ich es richtig interpretiere. Stützles hängen nämlich förmlich im Küchenfenster, dicke Sofakissen unter den Armen, und als ich das Garagentor schließe und kurz einen Blick nach oben links werfe, sehe ich, dass meine Nachbarn sich mit Thermoskanne und Becher auf eine längere Observation eingerichtet haben. Dumm nur, dass Frau Stützle meinen Blick bemerkt hat und sofort herüberruft: »Grüß Gott! Ja sind mir it beim Feschtle?«
    Ich weiß, jetzt muss ich schnell sein. Ich winke flüchtig hoch, rufe »Grüß Gott! Ich hab was auf dem Herd!« und renne ins Haus. Vermutlich haben Stützles gesehen, was ich in der Hand halte – den sündhaft teuren Champagner –, aber das kann ich jetzt auch nicht mehr ändern. Vermutlich werden ihnen die beiden Flaschen genügend Gesprächsstoff für die nächste Woche bieten. Viel Spaß beim Tratschen!, denke ich, und freue mich nur noch auf die Zweisamkeit mit Rudolf.
    Champagner kalt stellen, Einkäufe einräumen, mich schön machen für meinen Herzallerliebsten, so ungefähr sieht mein Masterplan aus, und einen Moment lang fühle ich mich so herrlich jung wie damals, als ich endlich einmal sturmfreie Bude hatte. Mit dem Unterschied, dass dieses Mal bestimmt nicht überraschend die Tür aufgehen wird. Dabei war alles völlig harmlos, Uli hatte die neueste Platte von ABBA mitgebracht, wir saßen auf dem Flokati in meinem Zimmer, tranken entsetzlich faden Jasmintee, der aber einfach dazugehörte und ...
    Das Schrillen des Küchenweckers reißt mich aus meinen Erinnerungen. Rudolf muss ihn gestellt haben, aber weshalb? Mir fällt ein, dass er die angebrochene Flasche Prosecco für eine Weile ins Eisfach stellen wollte. Aber als ich dort nachschaue, entdecke ich nichts außer einer Tiefkühlpackung Erbsen und einer Gemüsepizza, genügend Platz also für meinen Champagner.
    »Rudolf?«, rufe ich, »Rudolf, warum hast du den Wecker gestellt?«
    Ich werfe einen Blick ins Wohnzimmer, haste ins Arbeitszimmer und stolpere dabei über Jeanny, die es sich auf der Türschwelle bequem gemacht hat. »Rudolf!«, brülle ich die Treppe hoch. Mein Gott, dieser Mann sitzt manchmal wirklich auf seinen Ohren. »Rudolf?«
    Als ich meine Zimmertür öffne, hoffe ich noch einen Moment lang, dass er bereits im Bett liegt, die Arme nach mir ausstreckt, mich an sich zieht – aber da ist kein Rudolf. Lediglich eine Nachricht in seiner männlich markanten Schrift, mit niederschmetterndem Inhalt allerdings, wie ich feststellen muss:
    Moni ist gerade gekommen, wir fahren zum Steegersee
.
    Ich hoffe, du lobst mich dafür – es fällt mir nicht leicht
.
    Du kommst doch nach, oder? Ich habe den Prosecco mitgenommen. R
    Es dauert

Weitere Kostenlose Bücher