Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
dramatische Pause ein und höre, wie Moni schluckt.
»Dem Rudolf doch auch, hoffe ich.«
»Leider gar nicht. Er ist sehr empfindlich, vor allem, was seinen Magen angeht. Aber inzwischen fühlt er sich schon wieder etwas besser, du kannst also beruhigt sein.«
Was Moni aber nicht im Geringsten ist, im Gegenteil, sie scheint vor Betroffenheit fast zu vergehen.
»Ach du lieber Himmel! Doro, das ist mir ja so was von peinlich. Jetzt sag mir bitte ganz schnell, wie ich das wiedergutmachen kann. Ist Rudolf zufällig grad da? Ich würd mich ganz gern gleich persönlich bei ihm entschuldigen. Ich schmeiß mich ins Auto und komm gleich mal bei euch vorbei!«
Das muss ich natürlich verhindern und deshalb rufe ich ins leere Treppenhaus hinein: »Schnuckelchen, Moni möchte dich sprechen! ... Moni, warte mal eine Sekunde, Rudolf ist oben.«
Natürlich kann gar keine Antwort kommen, denn mein Herzallerliebster ist ja immer noch unterwegs, aber wenigstens nicht bei Moni. Damit es auch wirklich echt wirkt, stapfe ich die Treppe hoch, öffne meine Zimmertür. »Schnuckelchen, Süßer, Moni ist am Telefon!« Kleine Pause, dann sage ich mit wohl dosiertem Mitgefühl in der Stimme: »Moni, nimm’s nicht tragisch. Rudolf will seine Ruhe haben.«
Falls Moni enttäuscht sein sollte – und das ist sie, ich spüre das –, so lässt sie sich nichts anmerken. »Ja, so sind die Männer halt«, sagt sie sehr philosophisch und lacht dabei glockenhell. Sie hat sogar ihr Schwäbisch wieder parat: »Und was machet ihr heit? Ganget ihr au zum Schlossfest?«
»Nein, sicher nicht«, sage ich schnell. »Wir sind ausschließlich wegen Papa hier.«
»Ja dann kenntet ihr ihn mitnemma aufs Fescht, do hot er beschtimmt a Freid. Do lebbt er wieder richtig auf. Du, i han ihn vor vier Wochen beim Kegle troffe, er war so was von guat drauf, hat glacht und sich gefreit, als er mi geseh hot. Seine fünfundsiebzig hot ma ihm it agseha.«
»Sechundsiebzig«, verbessere ich sie.
»Des no weniger. Also, was isch? Treffet mir uns heit Abend alle beim Fescht? I tät euch abhole. I han ibrigens inzwischen a Cabrio.«
»Rot oder schwarz?«
Moni muss zugeben, dass es hellblau ist, und weil das den Neidfaktor unheimlich verringert, kann ich großzügig sagen: »Toll, ein Cabrio hab ich mir auch immer gewünscht. Also, war wirklich reizend, dass du angerufen hast, aber ich muss Schluss machen. Mein Schnuckelchen wird schon ungeduldig.«
Ich überlege, ob ich noch eine Bemerkung fallen lassen sollte wie:
Er steht nämlich auf Sex nach dem Frühstück
. Aber weil ich jetzt wirklich auflegen muss – Rudolf kann jeden Moment auftauchen, und es wäre mir extrem peinlich, wenn er hören würde, mit welch schwachsinnigem Kosenamen ich ihn bedenke –, verkneife ich mir das lieber und sage stattdessen: »Schlossfest ist nichts für uns. Nichts für ungut. Also dann mal tschüssle, Moni.«
»Halt, halt, halt, Doro, i han no a viel bessre Idee! Mir drei kenntet uns doch am Steegersee treffe, du weisch doch, hinte rechts, wo mir früher immer waret. Dem Rudolf tut’s Schwimme beschtimmt gut, bei denne Rückeschmerze, die wo er immer hot. Moorwasser isch ideal dafir. Komm, Doro, sag scho ja.«
Rudolf hat Rückenschmerzen? Mir gegenüber hat er davon jedenfalls noch nichts erwähnt. Und selbst wenn er sie hätte, niemals würde ich mit Moni zusammen in ein Freibad gehen. Niemals! Sie in dem neuen Bikini, von dem sie mir gerade in den höchsten Tönen vorschwärmt, und ich eingehüllt in ein Strandkleid Typ Familienzelt? Niemals! ... Aber je länger sie auf mich einredet, umso besser gefällt mir die Idee dann doch. Denn mir ist plötzlich eine Bemerkung Rudolfs in den Sinn gekommen und deshalb sage ich schließlich: »Moni, du hast mich überredet. Wir treffen uns nachher an unserem alten Platz auf der Liegewiese. Vorausgesetzt natürlich, ich kann Rudolf davon überzeugen.«
»Mach dir koine Gedanke«, kichert sie. »Jede Wett, dr Rudolf isch beschtimmt ganz scharf drauf, zwische zwoi so tolle Weiber wie uns zu liege.«
Beim Versuch, hastig alle Spuren des Telefonats zu beseitigen, unterläuft mir ein kleines Missgeschick. Ich lösche versehentlich die gesamte Anruferliste auf Rudolfs Handy, was besonders ärgerlich ist, weil ich sie mir zu gern nochmals genauer angesehen hätte.
Als ich nach unten gehe, höre ich Stimmen aus der Küche, und tatsächlich: Rudolf ist zurück, mit zwei Tüten voller Seelen und Brezeln, hat nochmals Kaffee aufgesetzt und ist
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