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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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Glatze.
    Er stellt sich als »Willi, seines Zeichens Chef von dat Ganze« vor, klopft Rudolf freundschaftlich auf die Schulter, zieht sich einen Stuhl heran und will schließlich wissen: »Na, wo is denn dat Problemchen?« Wortlos schiebe ich ihm den Gutschein hin. Er streicht sich versonnen über seine Platte. »Ja, dat is so ’ne Geschichte.«
    Minuten später wissen wir mehr: Willi Piontek hat das
La petite Casserole
vor Jahren übernommen (»Dat lief ja gar nicht, sach ich Ihnen«), es zuerst mit Spezialitäten aus dem Ruhrgebiet versucht (seiner Heimat, man hört es). »Lecker Möppkenbrot und Schlodderkappes, aber wurde leider nich angenommen. Lauter Esskulturbanausen hier«, fügt er etwas leiser hinzu, und Rudolf und ich nicken betreten. Vermutlich gehören auch wir dazu.
    »Na ja«, fährt er fort, »dacht ich mir, mach ich eben Regionalküche von hier. Für mich ist das Pillepalle. Ist grad egal, falls Sie dat übersetzt haben wollen. Und der Gutschein hier«, er schiebt ihn unschlüssig hin und her, »der war beim Inventar, und als neulich so ein paar ältere Herrschaften kamen und ’ne Spende fürs Schlossfest wollten, haben wir nur noch das Datum draufgestempelt. Mein Gott, denkt doch niemand, dass irgendein Döskopp den Bon tatsächlich einlöst.«
    Entweder ist dieser Mensch noch nicht so lange im Schwäbischen, wie er behauptet, oder er verfügt über sehr große Scheuklappen, was die Mentalität hier betrifft.
    Ich stoße Rudolf an. »Ich als Schwäbin lasse jedenfalls keinen Gutschein verfallen. Das ist genau so, als ob man bares Geld aus dem Fenster schmeißt«, erkläre ich ihm, nachdem Willi sich mit den Worten: »Freunde, meine Küche ruft!«, verabschiedet hat.
    Rudolf sieht mich entsetzt an. »Heißt das, du willst hier tatsächlich essen? Ich bestimmt nicht! Keinen Bissen!«
    »Du nicht, aber ich!«, gebe ich zurück und greife nach der Karte, die Miss Hair bei ihrer Flucht vergessen hat. »Hört sich doch nicht schlecht an. Ich glaube, ich nehm erst einmal die sechsundachtzig, die Flädlesuppe, dann die vierundneunzig, die Maultaschen, und zum Schluss den Ofenschlupfer, da freu ich mich drauf. Hab ich schon jahrelang nicht mehr gegessen. Und dazu einen feinen Trollinger.«
    Mein Essen steht so abartig schnell auf dem Tisch, dass Rudolf das Schweigegelübde bricht, das er sich anscheinend auferlegt hat. »Tiefkühlkost«, stößt er mit Abscheu hervor, was meinem Appetit aber keinen Abbruch tut.
    »Und wenn schon! Probier doch erst mal!« Ich halte ihm einen Löffel Suppe hin, säusle: »Nur ein klitzekleines Löffelchen«, doch Rudolf scheint entschlossen zu sein durchzuhalten.
    »Nur über meine Leiche«, knurrt er.
    Ich schaue ihn prüfend an. Täusche ich mich, oder sieht er tatsächlich bereits etwas hohlwangig aus? »Wir machen jetzt mal das Schnäbelchen auf«, gurre ich.
    Erfolglos. Na bitte, dann eben nicht, denke ich und wende mich meinen Maultaschen zu. Vorzüglich! Ich selbst würde sie nie so hinkriegen, wobei mir allerdings bewusst ist, dass das nicht allzu viel heißt.
    Rudolf ist immer noch in tiefsinniges Schweigen versunken, als wir kurz nach zehn wieder zu Hause auftauchen, sehr zum Erstaunen von Frau Blumer, die mit Papa oben in seinem Zimmer Monopoly spielt. Sie scheint nicht einmal sonderlich erfreut über unser frühes Kommen zu sein, was vielleicht daran liegen mag, dass sie im Besitz der Schlossallee ist.
    »Ja, dann geh ich wohl mal«, meint sie und wirft einen bedauernden Blick auf das Spielbrett. »Aber nicht wegräumen. Wir spielen demnächst weiter.«
    Woraus ich schließe, dass es mit ihren gesundheitlichen Problemen doch nicht so weit her ist. Sie hüstelt zwar, als sie ihre Jacke von der Garderobe nimmt, steigert sich dann sogar in einen ausgewachsenen Hustenanfall, aber ich grinse nur in mich hinein. Dank diverser Statistenrollen beim Theater (schlecht bezahlt, aber spannend) kann ich einen guten Schauspieler von einem schlechten unterscheiden. Wobei Frau Blumer eindeutig zur letzten Kategorie gehört.
    »Eins verstehe ich nicht«, murmelt Rudolf, als er sich später neben mir im Bett ausstreckt.
    Aha, er hat also seine Sprache wiedergefunden. Ich richte mich auf und sehe ihn erwartungsvoll an. »Was verstehst du nicht?«
    »Warum reden die Leute manchmal schwäbisch und dann wieder hochdeutsch? Wie Frau Blumer eben zum Beispiel.«
    Mir wäre das wahrscheinlich gar nicht aufgefallen, aber jetzt, als er das sagt, kommt es mir ebenfalls merkwürdig vor. Von

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