Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
zieht.
»Doreen, mach dich nicht lächerlich. Wir wollten wirklich ins Freibad, aber da war dann dieser entsetzliche Stau. Und Moni meinte, sie würde gern auf dem Flohmarkt nach einem Bilderrahmen suchen, und weil wir zufällig genau in diesem Moment einen Parkplatz entdeckten, war die Sache klar. Ich hätte dich selbstverständlich angerufen, aber mein Handy war plötzlich verschwunden.« Er lächelt mich an, mit diesem Womanizer-Lächeln, das mich noch jedes Mal schwach gemacht hat. »Oder hätten wir vielleicht stundenlang im Stau stehen sollen? Das ist nicht dein Ernst, und das weißt du auch ganz genau. Außerdem ...« Er grinst genüsslich, und ich weiß: Jetzt präsentiert er seine Trumpfkarte. »Meine Liebe, du wärst ebenfalls im Stau gestanden, wir hätten uns also so oder so verpasst. Ich möchte nicht wissen, welches Theater du dann erst gemacht hättest.«
In seiner Argumentation ist einiges unlogisch, ich fühle das, aber auf die Schnelle bin ich überfordert. »Ich werde darüber nachdenken«, murmle ich. »Und wo ist jetzt die Überraschung?«
»Genau genommen handelt es sich sogar um zwei Überraschungen. Zum einen: Stell dir vor, Moni malt.«
»Wahnsinn«, sage ich und meine das auch so.
Rudolf versteht es allerdings völlig falsch, denn er nickt begeistert. »Dachte ich auch, als ich ihre Bilder gesehen habe. Sicher, einiges muss sich noch entwickeln, aber das, was bei ihr im Atelier hängt ... Hut ab! Expressive Farben, Pinselstriche voller Leidenschaft, das pralle Leben in ihren Bildern.«
Versonnen schaut er vor sich hin. Ich glaube nicht, dass er an ihre Werke denkt, sondern eher an die Künstlerin selbst. Erst als ich mich räuspere, holt er seinen Blick aus weiter Ferne zurück und meint: »Du weißt ja, wie gern ich junge Künstler fördere.«
»Junge Künstler?«, überlege ich laut. »Du machst Witze. Moni ist so alt wie ich.«
Er sieht mich peinlich berührt an. »Das ist jetzt ja wirklich nicht das Thema. Moni freut sich übrigens schon sehr darauf, uns in Berlin zu besuchen.«
»Wie bitte?« Jetzt muss ich mich doch setzen.
»Uns zu besuchen!«, wiederholt Rudolf lauter. »Für dich ist es doch auch schön, wenn du Besuch aus der Heimat bekommst. Ihr habt euch bestimmt viel zu erzählen. Und für Moni ist die Berliner Kunstszene natürlich
die
Sensation.«
Oh ja, und der Berliner Kunstszenen-Oberguru wird ihr alles zeigen. Aber noch ist nicht aller Tage Abend, tröste ich mich, und Rudolf hatte schon so viele Pläne, die irgendwann sang- und klanglos auch wieder verschwunden sind.
»Und jetzt, halt dich fest, die zweite Überraschung!«, ruft er und hält mir einen lindgrünen Briefumschlag hin. »Mach auf!«
Als ich nach kurzem Zögern die Karte aus dem Umschlag ziehe, fällt mir leider umgehend der Zettel von Frau Blumer ein und vor allem der von Rudolf, und dementsprechend ist meine Miene.
»Du könntest ruhig ein wenig freundlicher schauen«, meint Rudolf. »Ich hab nämlich das große Los gezogen. Hier, lies mal, was da steht.«
Während er mir mit der lindgrünen Karte vor der Nase herumfuchtelt, suche ich erfolglos nach meiner Lesebrille, und Rudolf ist endlich bereit, mich »aufzuklären«, wie er es nennt. Denn er hat einen Gutschein für ein Fünf-Gänge-Menü im
La petite Casserole
gewonnen.
»Mit einem einzigen Los, stell dir vor.
La petite Casserole
ist übrigens auf dem besten Weg zu seinem ersten Stern; ich bin mir sicher, erst neulich etwas darüber gelesen zu haben. Na, was sagst du?«
»Dass der Gutschein nur noch heute gültig ist.« Ich habe nämlich inzwischen meine Lesebrille gefunden und ihn mir genauer angeschaut.
Rudolf zuckt mit den Schultern. »Na und? Dann gehen wir eben heute. Flexibilität ist bekanntlich alles im Leben. Zieh dich um, mein Schatz, wir gehen schick essen.«
»Das wird eher schwierig«, sage ich. »Das
Casserole
ist nämlich in Schussenried.« Ich denke, es ist an der Zeit, dass Rudolf erfährt, wo unser Auto ist, und vor allem in welchem Zustand.
»Dann halt Taxi«, meint er völlig entspannt.
»Und was machen wir mit Papa?«
»Wie wäre es: Du rufst einfach Frau Blumer an und bittest sie, dass sie herkommt. Die Gute ist mir vorhin beim Schlossfest kreuzfidel über den Weg gelaufen. Wenn du mich fragst, von Krankheit keine Spur.«
11. Kapitel
Frau Blumer hat sich tatsächlich sofort bereit erklärt vorbeizukommen (sie sei zwar noch nicht völlig gesund, aber diesen einen Abend werde sie sicherlich überstehen, sie
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