Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
ausrichten, dass Uli angerufen hat? Er sagt, es sei wichtig.«
»Uli? Uli Röckler?«, rufe ich erstaunt. »Was wollte er denn?«
Frieda stößt mich in die Seite. »Sei nicht so indiskret. Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
Ich glaube mich verhört zu haben. Frieda verlangt von mir Diskretion? Wieso denn das so plötzlich? Hat sie nicht noch vor ein paar Stunden in aller Öffentlichkeit und mit lauter Stimme über die Qualität von Rudolfs Spermien nachgedacht?
Gwendolyn überlegt. »An den Nachnamen erinnere ich mich jetzt nicht mehr so genau«, meint sie schließlich. »Und was den Schnaps betrifft: Ich beeil mich.«
»Das ging dich gerade wirklich nichts an«, murmelt Frieda, als wir wieder allein sind.
Ich schweige beleidigt. Mich als indiskret zu bezeichnen ist schon fast rufschädigend. Immerhin habe ich ein Vierteljahr in einer exklusiven Partnervermittlung für Banker gearbeitet und mich tatsächlich an das gehalten, was ich unterschrieben habe: absolute Diskretion. Obwohl es mir manchmal verdammt schwerfiel, nichts von den durchgeknallten Typen erzählen zu dürfen.
»I bin immer no total fertig!«, ruft Moni und schlägt hinter sich die Tür zum Nebenzimmer zu. »Im wahrschten Sinn des Wortes. Des war vielleicht an Tag heit. I brauch etzt erscht amol a Zigarettle. Doro, hasch dir meine Bilder denn agschaut? Was sagsch dazu?«
»Wir würden doch zu gerne erst einmal erfahren, wie das mit Herrn Dvořák passiert ist«, sagt Frieda schnell. »Sie waren doch sicher dabei.«
»Ond wie i dabei war!«, ruft sie, lässt sich neben mir auf dem Sofa nieder und stößt den Rauch gleichzeitig durch Mund und Nase aus. »Dr Rudolf wollt ja ubedingt gmalt werde. Einen Akt, lebensgroß! Ich hätt ja was anderes vorgschlage, aber gut, sag i zu ihm, stell di halt aufs Podeschtle, bitte oin Schritt zur Seite, damit ich die entscheidenden Teile ausleuchten kann, auf Hochdeutsch habe ich es ihm noch extra gesagt –, und was macht der Seckl? Zwoi Schritt zur Seite! Isch es do no a Wunder, dass er nunterhagelt? Ha, selber schuld, tät i sage.«
Neben mir auf dem Sofa höre ich verdächtige Geräusche. Sollte Frieda, plötzlich von Gefühlen übermannt, womöglich heulen? Das gibt es nicht, denke ich. Aber nach einem Seitenblick stelle ich beruhigt fest, dass Frieda zwar bebt, aber vor Lachen.
»Tut mir leid«, keucht sie schließlich und wischt sich mit einem Spitzentaschentuch die Tränen aus den Augen. »Entschuldige, Dorothea, das ist einfach zu absurd, ich kann nicht mehr.«
Und sie lacht völlig enthemmt weiter, Moni kichert inzwischen ebenfalls, und irgendwann gebe ich meine angeborene Zurückhaltung auf und pruste los. Was Rudolf gegenüber vielleicht nicht ganz fair, aber einfach nicht mehr in den Griff zu kriegen ist, nicht einmal, als der Notarzt die Treppe herunterkommt.
Erst als ich sehr intensiv an mein peinlichstes Erlebnis der letzten Jahre denke (von dem es zu allem Unglück auch noch ein großformatiges Hochglanzfoto in einem Promimagazin gibt: Ich, lächelnd neben dem Regierenden Bürgermeister, bei einer Vernissage, und – deutlich erkennbar – etwas Grünes zwischen meinen Zähnen, was ich später – bevor ich in Ohnmacht fiel – als Teil eines Salatblatts vom Buffet identifizierte), ist meine Heiterkeit mit einem Schlag vorbei. Ich springe auf und frage: »Wie geht es ihm?«
»Ein leichte Prellung und eine kleine Unterkühlung, vermutlich, weil er so lange auf den kalten Fliesen lag.«
Moni nickt. »Des han i ihm glei gsagt, aber er hat gmeint, er hätte sich was an dr Wirbelsäule verrenkt und dürft sich nicht rege, damit’s it no schlimmer wird. Er hat sich it amol zudecke lasse welle. Aus lauter Angscht, dass da irgendebbes verschobe werde kennt.«
Der Arzt lacht. »Ja, ja, die Angst. Ich habe ihm eine muskelentspannende Spritze gegeben, die Wirkung setzt bald ein, und ich schreibe auch noch ein Schmerzmittel auf. Aber in Zukunft bitte nicht noch mal so eine Bagatelle. Ich habe mehr als genug auf dem Schlossfest zu tun.« Wie zur Bestätigung seiner Worte meldet sich sein Piepser. »Ich muss los. Ach ja, ein, zwei Tage Bettruhe wären nicht verkehrt.«
»Wir verschwinden jetzt auch«, meint Frieda und wirft mir einen Blick zu. »Komm, Doro.«
Moni springt auf. »Und was isch mit ’m Rudolf?«
»Rudolf?«
Sie stößt mich an. »Doro, jetzt tu bloß it so, als hettsch den Namen no nie ghört. Schließlich handelt sich’s um dein Rudolf.«
»Meinen?«, gebe ich zurück,
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