Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
unterdrücken will), gibt sie dann doch zu, Frau Blumer vorher schon mal gesehen zu haben, flüchtig nur, bei der Aquagymnastik für Senioren, in der
Schwaben-Therme
.
»Was, du?« Ich staune nur. Frieda bietet doch immer wieder neue Überraschungen. Senioren passt nicht zu ihr, Gymnastik noch viel weniger. »Frieda, das kann ich mir bei dir nicht vorstellen. Erzähl mal, was ihr da macht. Etwa Bauch-Beine-Po?«
Sie schüttelt betreten den Kopf. »Rühr bloß nicht an meinen Schwachstellen. Erzähl
du
lieber mal. Was macht Rudolf? Lebt er noch? Komm, raus mit der Sprache.«
»Aber erst nach dem Frühstück.«
Doch mit Frieda kann man nicht handeln. Mit ihrem Dokumentarfilmer ist sie damals mit dem VW-Bus durch ganz Nordafrika gezogen, und ich bin sicher, sie war der Schrecken aller Händler auf sämtlichen Basaren. Eine weitere Tasse Kaffee halte ich noch durch, dann gebe auch ich klein bei. »Was willst du nun genau wissen?«
Frieda verdreht die Augen. »Na was wohl! Stell dich nicht so an! Hast du ihn gestern noch vernascht? Zur Bestätigung deiner Besitzansprüche? Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er in seinem Zustand … Nein, auf keinen Fall!«
Im Geiste scheint sie diese ungeheuer wichtige Frage damit abgehakt zu haben, und ich atme schon wieder auf, da ist ihr bereits die nächste eingefallen: »Mich interessiert vor allem, was er gesagt hat. Wie hat er denn seinen Zustand erklärt? Ich meine, von selbst sind ihm die Klamotten ja wohl nicht vom Leib gefallen. Setzt du ihn jetzt endlich vor die Tür?«
Ich gieße mir erst einmal eine weitere Tasse Kaffee ein, schmiere mir – von Frieda misstrauisch beobachtet – eines der ofenfrischen Brötchen und gewinne so ein wenig Zeit. Schließlich sage ich: »Weißt du, die ganze Situation stellt sich jetzt doch ein bisschen anders dar als gestern. Man erlebt das ja oft. Der erste Eindruck trügt, man zieht völlig falsche Schlussfolgerungen und …« Friedas Gesichtsausdruck lässt mich verstummen.
»Ach ja?«
Ich nicke. »Ursprünglich sollte Moni ihn ja nur porträtieren. Die Idee mit dem Aktbild kam ausschließlich von ihr.«
»Ach ja?«
»Ja! Auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst! Moni hat nämlich manchmal wirklich etwas sehr Suggestives. Ich verstehe schon, dass Rudolf sich schließlich überreden ließ. Außerdem passt Akt auch viel besser: Das Bild soll nämlich für unser Schlafzimmer sein. Für
unser
Schlafzimmer, hast du gehört?«
»Ja natürlich, ich bin doch nicht taub. Ein Aktbild würde selbst ich nicht unbedingt in der Küche aufhängen«, erwidert sie spitz. »Aber was ist daran so sensationell, dass du mich anstrahlst, als hättest du gerade den Jackpot geknackt?«
Ich lache. »Na gut, irgendwann wirst du es ja sowieso erfahren. Rudolf findet inzwischen auch, dass wir endlich zusammenziehen sollten. Stell dir vor, den Schlüssel für unsere erste gemeinsame Wohnung wollte er mir unter den Weihnachtsbaum legen.«
Frieda scheint vor Schreck ihr
ach ja
vergessen zu haben. »Dorothea, sag sofort, dass das nicht stimmt!«, ruft sie entsetzt. »Das darf doch nicht wahr sein! Du platzt vor Glück, weil dieser Mensch …«
»Reg dich ab! Ich hab dir doch noch gar nicht alles erzählt. Freunde von Rudolf verkaufen nämlich ihre fantastische Maisonettewohnung in Charlottenburg, sechs Zimmer, lichtdurchflutet, Wintergarten, Holzfußboden. Ich sage dir: ein Traum! Ludger und Corinna wollen nämlich raus aufs Land. Das machen viele in Berlin, wenn das erste Kind unterwegs ist. Und Corinna ist im fünften Monat. Die beiden haben sich ein Bauernhaus in Brandenburg gekauft, ihre Wohnung wird also demnächst frei. Rudolf hat den Kaufvertrag übrigens schon so gut wie unterschrieben. Jetzt geht es nur noch um die Frage, ob man das Erdgeschoss auch anmieten kann; das wäre optimal für seine Galerie.«
»Ach ja?«
»Frieda, jetzt guck nicht so! Verdirb mir bitte nicht die ganze Freude. Rudolf mag zwar seine Eigenarten haben, aber im Großen und Ganzen klappt es doch ganz gut mit uns. Und die Sache mit der Wohnung bedeutet schließlich, dass er es wirklich ernst meint. Man schmeißt doch sonst nicht seinen gesamten Krempel zusammen und … Sag jetzt bloß nicht wieder
ach ja
!«
»
Ach ja
reicht in diesem Fall leider nicht aus«, seufzt sie. »Ich glaube deinem Rudolf nämlich kein einziges Wort. Du warst auf dem richtigen Weg, und was machst du jetzt? Fällst schon wieder auf einen solchen Kerl rein. Gemeinsame Wohnung! Dass ich nicht
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