Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
lache!« Sie ist aufgestanden, marschiert mit grimmigem Gesichtsausdruck zwischen Herd und Spüle hin und her. »Man müsste sofort Erkundigungen einziehen.«
»Stopp! Nicht wieder die gleiche Geschichte wie mit Erlangen, hast du gehört? Und setz dich bitte endlich wieder hin, du machst mich total nervös.«
»Du machst mich auch total nervös! Kindchen, ich mach mir doch nur Sorgen um dich.«
So geht das eine ganze Weile, bis ich entnervt vorschlage, Yasemin um Mithilfe zu bitten.
»Yasemin? Ist die Dame denn kompetent?«, fragt Frieda misstrauisch. »Soll ich die Angelegenheit nicht lieber selbst in die Hand nehmen?«
Ich schüttle entschieden den Kopf. »Du kannst beruhigt sein, Yasemin ist sehr kompetent. Ich kenne sie aus meiner Zeit als Kaufhausdetektivin.«
»Dann weiß sie ja hoffentlich auch, wie man in einem solchen Fall ermittelt.«
Ich verkneife mir ein Grinsen. Nie im Leben würde ich erzählen, dass wir damals auf unterschiedlichen Seiten standen: ich als Detektivin auf der Seite des Gesetzes, Yasemin als Ladendiebin dagegen auf der anderen. Ich hatte sie laufen lassen, weniger aus Mitleid, eher aus Faulheit, denn es war kurz vor Ladenschluss, und ich hatte absolut keine Lust auf den ganzen Papierkram wegen eines Kajalstiftes für drei Euro fünfundsiebzig. Am nächsten Morgen war ich dann meinen Job los (irgendwer musste mich verpfiffen haben), was ich aber nur mäßig bedauerte. Yasemin dagegen ist mir erhalten geblieben: als beste Freundin nämlich.
»… am besten sofort, Dorothea. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Sag mal, hörst du mir überhaupt zu oder träumst du schon wieder? Hier ist das Telefon. Ich habe gesagt, du sollst anrufen. Sofort!«
Mir bleibt nichts anderes übrig. Frieda sitzt mir gegenüber, hat die
Schwäbische
aufgeschlagen. Ich grinse sie an: »Mit Brille würdest du sicher etwas lesen können.«
Sie grinst zurück, als sie nach ihrer Lesebrille greift, die sie an einem Band um den Hals trägt. »Jetzt ruf doch endlich an!«
Schulterzuckend wähle ich die Nummer von
Creativa
, und Yasemin ist mal wieder gewaltig im Stress.
»Der dicke Fisch, du weißt doch. Mara findet, du sollst deinen Urlaub sofort abbrechen, sie behauptet, kein Amerikaner würde so lange Ferien machen wie wir Deutschen. Doreen, ich sehe es kommen, am Schluss haben wir die Sechzig-Stunden-Woche und ich …«
»Kannst du mir einen Gefallen tun?«, unterbreche ich ihren Wortschwall. »Ich brauche nur eine klitzekleine Information. Der Mann heißt Ludger Haverkamp, er macht irgendwas in der Pharmaindustrie, und sie ist Corinna Haverkamp-Stahl, Rechtsanwältin, wenn ich mich nicht sehr täusche …« Unter zustimmendem Nicken Friedas (sie hat inzwischen die Zeitung zusammengefaltet und zur Seite gelegt) erkläre ich Yasemin, was genau sie herausfinden soll.
»Sie soll sich aber beeilen«, flüstert Frieda. »Sag ihr, dass es furchtbar dringend ist.«
»Es muss aber schnell gehen«, füge ich hinzu.
»Du weißt doch, der blöde Auftrag. Na gut, ich schau mal, was sich machen lässt. Wozu willst du das alles überhaupt wissen? Hat es was mit Rudolf zu tun?«
»Erfährst du alles, wenn du dich wieder meldest«, sage ich und lege auf. Was auch höchste Zeit ist, denn das Telefon muss dringend aufgeladen werden. Ich stelle es in die Ladestation und hoffe auf ein paar ruhige Minuten mit Kaffee und ohne Friedas gutgemeinte Ratschläge.
Ich muss zugeben, im Prinzip ist Friedas Anwesenheit aber doch ein Segen. Sie fuhrwerkt im Haus herum (mit sichtlich mehr Erfolg als Frau Blumer), verbietet mir jeden Handschlag (»Kindchen, du musst dich endlich erholen. Und runzle nicht so die Stirn, das macht hässliche Falten!«), und als ich ihr erzähle, wie gut Papa unsere gestrige Vorlesestunde gefallen hat, ruft sie: »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Wo ich so viele schöne Romane daheim habe. Da werde ich bestimmt was Hübsches für ihn finden.«
»Frieda, Papa ist nicht unbedingt ein Fan von Liebesgeschichten. Lies ihm lieber aus dem Buch auf seinem Nachttisch vor.«
»Ja, ja«, meint Frieda und zieht ihre Kostümjacke aus (helles Gelb mit weißen Pünktchen, es wird einem ganz schwindlig, wenn man sie nur anschaut).
»Bitte halt dich dran. Ich möchte nicht, dass es Papa schlechtergeht, nur weil du ihm entsetzlich traurige Romane vorliest.«
»Lass das mal meine Sorge sein. Außerdem haben meine Liebesromane immer ein gutes Ende, ganz wie im richtigen Leben. Und du
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