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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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meine Wangen.
    »Wenn du damit meinst, dass ich Angst habe, nicht mehr aufhören zu können, nachdem ich einmal damit angefangen habe  – dann ja. Ich will nicht eines Tages sagen müssen, dass ich mir alles einfach genommen habe, statt es mir zu verdienen.«
    »Dann verdienst du dir gewissermaßen alles doppelt. Einmal verdienst du es dir dadurch, dass du es nicht einfach herzauberst, und zum zweiten Mal durch deine Arbeit und Anstrengung.« Er lachte freudlos. »Letztendlich hat es gar nicht so viele Vorteile, übermenschliche Fähigkeiten zu besitzen, nicht wahr?«
    Matthew schlug vor, dass wir uns an den kalten Kamin setzen sollten. Ich lagerte mich auf das Sofa, und er stellte ein paar Nusskekse auf dem Tischchen neben mir ab, um dann erneut in der Küche zu verschwinden. Als er zurückkam, hielt er ein kleines Tablett in Händen, auf dem die alte schwarze  – mittlerweile geöffnete  – Flasche sowie zwei Gläser mit einer bernsteingelben Flüssigkeit standen. Eins davon reichte er mir.
    »Schließ die Augen, und sag mir, was du riechst«, befahl er mir mit Oxford-Professorenstimme. Gehorsam senkten sich meine Lider. Der Wein kam mir gleichzeitig alt und quicklebendig vor. Er roch nach
Blumen und Nüssen und kandierten Zitronen und nach einer fremden, lang verschollenen Welt, die ich  – bislang  – nur beim Lesen oder in meiner Fantasie erforscht hatte.
    »Er riecht wie die Vergangenheit. Aber nicht tot. Sondern ausgesprochen lebendig.«
    »Öffne die Augen, und nimm einen Schluck.«
    Als die süße, strahlende Flüssigkeit durch meine Kehle rann, schien sich etwas Uraltes und Machtvolles in meinen Adern auszubreiten. So muss für einen Vampir Blut schmecken. Ich behielt meinen Gedanken für mich.
    »Erzählst du mir, was das ist?«, fragte ich, um die Aromenexplosion in meinem Mund herum.
    »Malmsey«, erwiderte er grinsend. »Ein sehr, sehr alter Malmsey.«
    »Wie alt?«, fragte ich argwöhnisch. »So alt wie du?«
    Er lachte. »Nein, du würdest nichts trinken wollen, was so alt ist wie ich. Er wurde 1795 aus Trauben gekeltert, die auf Madeira wuchsen. Früher war er sehr beliebt, aber heute interessiert sich kaum noch jemand dafür.«
    »Gut«, erklärte ich gierig und genüsslich. »Dann bleibt mehr für mich.« Er lachte wieder und ließ sich in einen seiner Morris-Sessel sinken.
    Wir plauderten über seine Zeit im All Souls, über Hamish  – der zweite Stipendiat, wie sich herausstellte  – und ihre Abenteuer in Oxford. Ich lachte, als er mir erzählte, wie er jeden Abend im Speisesaal essen musste und danach regelmäßig nach Woodstock gerast war, um den Geschmack von verkochtem Rindfleisch aus seinem Mund zu spülen.
    »Du siehst müde aus«, sagte er nach einem weiteren Glas Malmsey sowie einer weiteren Stunde Geplauder und erhob sich.
    »Das bin ich auch.« Trotz meiner Müdigkeit musste ich ihm noch eines erklären, bevor er mich nach Hause brachte. Achtsam setzte ich mein Glas ab. »Ich habe mich entschieden, Matthew. Am Montag werde ich Ashmole 782 noch einmal aus dem Archiv anfordern.«
    Der Vampir plumpste in seinen Sessel zurück.

    »Ich weiß nicht, wie ich den Zauber beim ersten Mal gebrochen habe, aber ich werde versuchen, es noch einmal zu tun. Knox glaubt nicht, dass mir das gelingen wird.« Mein Mund wurde schmal. »Was weiß der schon? Er hat den Bann kein einziges Mal brechen können. Und dir gelingt es vielleicht, die Worte zu erkennen, die das magische Palimpsest unter den Bildern enthält.«
    »Wie meinst du das  – du weißt nicht, wie du den Bann gebrochen hast?« Matthew runzelte verwundert die Stirn. »Welche Worte hast du verwendet? Welche Mächte zu Hilfe gerufen?«
    »Ich habe den Bann gebrochen, ohne es zu wollen«, erklärte ich.
    »Mein Gott, Diana.« Er sprang wieder auf. »Weiß Knox, dass du keine Hexenkraft eingesetzt hast?«
    »Wenn er es weiß, dann nicht von mir«, antwortete ich. »Und was tut das auch zur Sache?«
    »Es tut sehr wohl eine Menge zur Sache, denn wenn du den Bann nicht willentlich gebrochen hast, dann hast du von selbst seine Bedingungen erfüllt. Im Moment versuchen alle Geschöpfe herauszufinden, welchen Zauber du eingesetzt hast, weil sie ihn kopieren und sich Ashmole 782 damit holen wollen. Sobald die anderen Hexen erfahren, dass sich für dich der Bann von selbst gelöst hat, werden sie nicht mehr so geduldig und wohlerzogen abwarten.«
    Gillians wütendes Gesicht erschien vor meinem inneren Auge, begleitet von der

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