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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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solltest  – und davon gibt es reichlich  –, dann gnade dir Gott.«
    »Ich habe nicht nachgedacht.« Und das konnte ich immer noch nicht. Mir schwirrte der Kopf, wenn ich an seinen Kuss, seinen Zornesausbruch und den Hunger dachte, den ich geschmeckt hatte.
    Er beugte sich vor, bis er die Stirn auf meine Schulter legen konnte. Die Ampulle rutschte aus dem Ausschnitt seines Pullovers und baumelte wie ein Pendel vor und zurück, wobei das Kerzenlicht immer wieder in dem winzigen Sarg aufblinkte.
    Er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstand. »Hexen und Vampire sollten nicht so füreinander empfinden. Was ich bei dir fühle, habe ich noch nie …« Er verstummte.
    »Ich weiß.« Sanft legte ich die Wange gegen sein Haar. Es fühlte sich so seidig an, wie es aussah. »Mir geht es genauso.«
    Matthews Arme lagen immer noch dort, wo er sie abgelegt hatte, mit einer Hand auf meinem Knie und der anderen auf der Armlehne. Auf meine Worte hin hob er beide an und umschlang meine Taille. Seine Kälte durchdrang meine Kleider, aber mich fröstelte nicht. Stattdessen rückte ich näher an ihn heran, bis ich die Arme auf seine Schultern legen konnte.
    Offenbar hätte ein Vampir problemlos tagelang in dieser Pose ausharren können. Für eine schlichte Hexe war das allerdings keine Option. Als ich mich bewegte, sah er mich erst verwirrt an, dann verstand er und sein Gesicht hellte sich auf.
    »Das habe ich vergessen«, sagte er, erhob sich geschmeidig und kraftvoll
wie immer und trat einen Schritt zurück. Ich bewegte erst das eine Bein, dann das andere, bis das Blut wieder in Fluss kam.
    Matthew reichte mir mein Weinglas und kehrte an seinen Platz zurück. Sobald er sich gesetzt hatte, versuchte ich ihn davon abzulenken, wie ich wohl schmeckte.
    »Wie lautete die fünfte Frage, die du beantworten musstest, um das Stipendium als Fellow zu bekommen?« Die Kandidaten wurden zu einer Prüfung vorgeladen, bei der sie vier Fragen von philosophischer Tiefe und von teuflischer Komplexität beantworten mussten. Falls man die ersten vier Fragen überlebte, bekam man die berühmte »fünfte Frage« gestellt. Eigentlich war es keine Frage, sondern nur ein einziges Wort wie »Wasser« oder »Mangel«. Es blieb dem Kandidaten überlassen, wie er darauf antworten wollte, und nur die brillanteste Antwort konnte dir einen Platz im All Souls sichern.
    Er griff über den Tisch  – ohne sich dabei in Brand zu setzen  – und schenkte mir noch etwas Wein nach. »Verlangen«, sagte er und wich dabei auffällig meinem Blick aus.
    So viel zu meinem Ablenkungsversuch.
    »Verlangen? Was hast du dazu geschrieben?«
    »Soweit ich feststellen kann, halten nur zwei Emotionen die Welt in Gang, und das seit Anbeginn der Zeit.« Er zögerte kurz und fuhr dann fort: »Die eine ist die Angst. Die andere das Verlangen. Darüber habe ich geschrieben.«
    Liebe hatte bei seiner Antwort keine Rolle gespielt, fiel mir auf. Es war ein brutales Bild, ein Tauziehen zwischen zwei gleichberechtigten, aber entgegengesetzten Impulsen. Trotzdem klang es irgendwie wahr, was man von Vergils »doch die Liebe besiegt alles« nicht unbedingt behaupten konnte. Matthew deutete immer wieder an, dass sein Verlangen  – hauptsächlich nach Blut  – so stark sein konnte, dass es alles andere unter sich begrub.
    Aber Vampire waren nicht die einzigen Geschöpfe, die mit starken Gefühlen umzugehen lernen mussten. Vieles an der Magie war nur ein in die Tat umgesetztes Verlangen. Bei der Hexerei war das anders  – dazu brauchte es Sprüche und Rituale. Aber Magie? Es genügte ein
Wunsch, ein Bedürfnis, ein so starker Hunger, dass er nicht ignoriert werden konnte  – und schon entwickelte sich aus den Gedanken einer Hexe ein magischer Akt.
    Und nachdem Matthew mir seine Geheimnisse offenbart hatte, wollte ich meine nicht länger für mich behalten.
    »Magie ist real gewordenes Verlangen. So habe ich die Notes and Queries aus dem Regal gezogen, als du mich beobachtet hast«, sagte ich langsam. »Wenn sich eine Hexe auf etwas konzentriert, das sie um jeden Preis haben will, und sich dann ausmalt, wie sie es bekommen wird, dann kann sie das geschehen lassen. Darum muss ich bei meiner Arbeit so vorsichtig sein.« Ich trank einen Schluck Wein und sah das Glas in meiner Hand zittern.
    »Dann bringst du, genau wie ich, einen Großteil deiner Zeit damit zu, Dinge möglichst nicht zu wollen. Und teilweise aus den gleichen Gründen.« Matthews Schneeflockenblick wehte über

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