Seelen der Nacht
dem Schreibtisch. Ich schrieb Ashmole MS 782 , meinen Namen und meine Leseausweisnummer darauf.
Sean arbeitete an der Ausgabetheke. »Ich habe mir zwei Titel reservieren lassen«, sagte ich lächelnd. Er verschwand im Verschlag, kehrte mit zwei Handschriften zurück und streckte dann die Hand nach meinem Bestellzettel aus. Dann steckte er den Zettel in den abgewetzten grauen Pappumschlag, der ins Archiv geschickt würde.
»Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte er dann.
»Klar.« Ich machte Matthew ein Zeichen, nicht nachzukommen, und folgte Sean durch die Schwingtür ins Arts End, das, genau wie das Selden End, quer zur ursprünglichen Bibliothek angebaut worden war. Wir blieben unter einer Reihe von Bleiglasfenstern stehen, durch die uns die schwache Morgensonne beleuchtete.
»Belästigt er dich?«
»Professor Clairmont? Nein.«
»Es geht mich ja nichts an, aber ich mag ihn nicht.« Nervös sah Sean den Hauptgang entlang, als rechnete er damit, dass Matthew den Kopf um die Ecke strecken könnte. »In der letzten Woche haben sich hier die schrägsten Gestalten getummelt.«
Nachdem ich ihm da nicht widersprechen konnte, gab ich einen undefinierbaren Laut des Mitgefühls von mir.
»Du würdest mir doch Bescheid sagen, wenn irgendwas nicht stimmt, oder?«
»Klar, Sean. Aber Professor Clairmont ist okay. Mach dir seinetwegen keine Sorgen.«
Mein alter Freund wirkte nicht überzeugt.
»Sean weiß vielleicht, dass ich anders bin als er – aber offenbar bin ich nicht so anders wie du«, erklärte ich Matthew, als ich wieder an meinem Platz saß.
»Das sind die wenigsten«, bemerkte er düster und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.
Ich schaltete den Computer an und versuchte mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Das Manuskript würde erst in ein paar Stunden zur Abholung bereitliegen. Aber es fiel mir schwerer als je zuvor, meine Konzentration auf die Alchemie zu richten, nachdem ich sie schon zwischen dem Vampir und der Ausleihtheke aufteilen musste. Jedes Mal, wenn eine Lieferung aus dem Archiv eintraf, sah ich auf.
Nach mehreren Fehlalarmen hörte ich leise Schritte vom Selden End her. Matthew spannte sich sichtbar an.
Peter Knox kam an meinen Platz geschlendert und blieb vor mir stehen. »Dr. Bishop«, begrüßte er mich kühl.
»Mr Knox.« Meine Antwort fiel genauso unterkühlt aus, und ich beugte mich sofort wieder über das aufgeschlagene Manuskript vor mir. Knox machte einen Schritt auf mich zu.
Ohne den Blick von seinem Needham-Artikel zu heben, sagte Matthew leise: »Ich würde dort stehenbleiben, es sei denn, Dr. Bishop wünscht mit Ihnen zu sprechen.«
»Ich habe wirklich viel zu tun.« Plötzlich legte sich ein stählernes Band um meine Stirn, und eine Stimme begann in meinem Kopf zu flüstern. Ich musste meine gesamte Energie aufwenden, um den Hexer aus meinen Gedanken zu vertreiben. »Ich habe zu tun, sagte ich«, wiederholte ich eisern.
Matthew legte den Stift hin und schob seinen Stuhl zurück.
»Mr Knox wollte gerade gehen, Matthew.« Ich beugte mich über mein Notebook und tippte ein paar Sätze ohne jeden Sinn hinein.
»Hoffentlich wissen Sie, was Sie da tun«, zischte Knox.
Matthew knurrte, und ich legte die Hand auf seinen Arm. Knox’ Blick richtete sich auf den Punkt, an dem sich Hexe und Vampir berührten. Bis zu diesem Augenblick hatte er nur vermuten können, dass Matthew und ich vertrauter miteinander waren, als es ihm als Hexer recht sein konnte. Jetzt wusste er es.
Du hast ihm erzählt, was du über unser Buch weißt. Knox’ bösartige Stimme zischte durch meinen Kopf, und obwohl ich mich gegen den Eindringling zu wehren versuchte, war der Hexer eindeutig zu stark für mich. Überrascht schnappte ich nach Luft.
Erschrocken sah Sean von der Ausleihtheke zu uns her. Matthews Arm bebte, doch sein Knurren wurde noch bedrohlicher.
»Wer hat jetzt die Menschen auf uns aufmerksam gemacht?«, zischte ich den Hexer an und drückte gleichzeitig Matthews Arm, um ihm anzuzeigen, dass er mir nicht zu helfen brauchte.
Knox lächelte widerwärtig. »Sie haben heute Morgen nicht nur die Menschen auf sich aufmerksam gemacht, Dr. Bishop. Vor Einbruch der Nacht wird jede Hexe in Oxford wissen, dass Sie uns verraten haben.«
Matthews Muskeln spannten sich an, und seine Finger legten sich auf den kleinen Sarg, den er um den Hals trug.
Oh Gott, dachte ich, gleich bringt er mitten in der Bibliothek eine Hexe um. Eilig stellte ich mich zwischen die beiden.
»Es reicht«,
Weitere Kostenlose Bücher